Neustart Teil 1 (Twitchprojekt)

Hier könnt Ihr Auszüge aus Euren Büchern, Manuskripten veröffentlichen.
Bei der Länge kommt es sicher auf den Inhalt an, dennoch reichen evtl. 2 DIN A Seiten aus.
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japakl
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Neustart Teil 1 (Twitchprojekt)

Beitrag von japakl »

Neustart

1. Die Stunde Null

„Hast du alles?“ Fragte Andreas seinen Sohn.

Der junge Mann nickte, blickte noch einmal zurück in die Wohnung seiner Eltern, dann trat er hinaus in den Flur des Mehrfamilienhauses. Das Flurlicht wirkte grell und stand in einem unnatürlichen Kontrast zu der Dunkelheit des Wintermorgens, welche so ungemütlich durch das Hausflurfenster wirkte.

„Ja, danke dir, Papa.“

Der zwanzigjährige, hochaufgeschossene junge Erwachsene, strich sich mit seiner linken Hand durch den braunen Vollbart. Einen Tick, welchen er sich mit der so rasant verbreiteten Vollbartmode angeeignet hatte. Überhaupt sah er aus wie der typische Hipster. Blaues Flanellhemd, enge Bluejeans, Sneakerschuhe, Brille und Basecap.

„Du meldest dich, wenn du etwas brauchst?“ Fragte der Vater besorgt. Aus dem Wohnzimmer hinter ihm wurde verhaltenes Weinen hörbar. Melanie schien sich immer noch nicht gefangen zu haben. Sie hatte nicht mit zur Tür kommen wollen, der Abschied fiel ihr auch so schwer genug.

„Mach ich. Lohnt sich nicht, dass ihr euch Sorgen macht, ich komme schon klar. Versprochen“

Der Vater nickte und wechselte seinen Blick auf die junge dunkelhaarige Frau, welche neben seinem Sohn stand. Ein hübsches Gesicht hatte sie, wie er immer wieder aufs neue feststellen musste. Dazu braune Augen, pechschwarze Haare, und eine starkpigmentierte Haut, sowie dieser leicht mollige Körperbau, der nicht abstoßend, sondern so üppig weiblich auf ihn wirkte. „Pass auf ihn auf, Luela! Versprich es mir.“

Die junge Afroamerikanerin zeigte ihre weißen Zähne, welche zwischen ihren vollen Lippen hindurchblitzten.

„Mach ich. Ich hoffe, Melanie beruhigt sich bald. Wenn du willst, melden wir uns, wenn wir am Flughafen sind.“ Kam es in einen stark amerikanisch akzentuiertem Deutsch zurück.

„Macht das. Lasst Thomas aber jetzt nicht noch länger unten warten.“

Der Sohn zögerte, dann umarmte er seinen Alten noch einmal. Auch das Mädchen suchte noch einmal die Nähe des Mannes, der ihren Aufenthalt in Deutschland, zusammen mit seiner Frau, so unbeschwert und frei gestaltet hatte. Unwirklich, was sich in ihren drei Auslandssemestern alles für sie verändert hatte.

„Guten Flug!“ Murmelte der hagere, mittelgroße Mann mit den bereits ergrauen Haaren. Hob seinen Arm, dann waren die beiden, schwer beladenen jungen Menschen schon nach der ersten Treppenkehre aus seinem Blick verschwunden.

Er lauschte ihnen nach, hörte noch Wortfetzen, welche zwischen Sohn und Freundin gewechselt wurden, dann trat er zurück in die Wohnung, nachdem er unten das prägnante Schließgeräusch der Haustür vernommen hatte.

Ein Abschnitt seines Lebens hatte am heutigen Tag geendet. Nicht nur für ihn, auch für seine neun Jahre jüngere Frau. Beide Kinder waren jetzt aus dem Haus und die Wohnung der Familie Memel fühlte sich jetzt leer und leise an. Konnte das so schnell spürbar werden? Wirklich?

Was waren Melanie und er selbst anfänglich euphorisch gewesen bei dieser Vorstellung. Früh war seine Frau schwanger geworden, gerade einmal ein halbes Jahr, nachdem sie sich beide kennengelernt hatten. Schnelle Heirat, Jahre der Überforderung, Streit, Trennungsgefahr, Kindersorgen ... irgendwann dann Routine und Akzeptanz des Ist-Zustandes. Sie beide hatten für sich akzeptiert gehabt, dass es in ihrem Leben weniger um sie selbst und die eigenen Wünsche ging, sondern vor allem um die Bedürfnisse ihrer beiden Kinder. Doch jetzt?

Wie würde das Zusammenleben mit seiner Frau aussehen, wo die gemeinsame Aufgabe erfüllt schien?

Er schloss die Tür hinter sich, Melanie weinte immer noch. Verständlich, denn im Gegensatz zu ihrer Tochter, hatte sich der Sohn für ein Studium in den USA entschieden. Es würde Monate verstreichen, bis man sich wieder in den Armen halten durfte.

Nur widerwillig kehrte er in das Wohnzimmer zurück, wo man am großen Esstisch zuvor noch das gemeinsame Frühstück eingenommen hatte. Es war gerade erst sechs Uhr vorbei, an einem normalen Wochentag wäre man jetzt erst aufgestanden. Er sah seinen Sessel mit dem kleinen Beistelltisch und das darauf abgelegte Buch. Wie gerne hätte er es sich jetzt gemütlich gemacht und den Titel weitergelesen. Ein gut geschriebener Thriller, von einem ihm bis dato unbekannten Autor.

Seine Frau hatte sich auf der Sitzfläche des Sofas ausgestreckt, hielt ihm ihren Rücken zugewandt, die Beine angewinkelt, ihm ein einziges Bild der Verzweiflung zeigend. Also setzt er sich zu ihr, von der Pflicht getrieben ihr beistehen zu müssen, legte ihr seine Hand auf ihre rechte Schulter und strich vorsichtig in Richtung Oberarm über den grünen Wollstoff ihres Pullovers hinweg.

„Die beiden rufen an, wenn sie am Flughafen sind.“

Seine Frau signalisierte ihm durch ein Kopfnicken, dass sie ihn verstanden hatte, hielt sich aber nach wie vor von ihm abgewandt.

„Melanie! Es war doch klar, dass er irgendwann gehen würde. Er war doch auch zuvor schon ständig unterwegs gewesen.“

Sie reagierte nicht auf das was er ihr sagte, seine Argumente waren ja auch alles andere als neu für sie.

Wieder hielt er seinen Blick auf das Buch gerichtet. Wie gerne hätte er es jetzt in die Hand genommen, den Kopfhörer seines MP3-Players aufgesetzt und sich anschließend darin vertieft.

„Liebst du mich noch?“

Die Worte drangen in sein Ohr, nur ihre Message brauchte Zeit, um die ganze Wucht ihrer Bedeutung bei ihm zu entfalten. Wann hatten sie das letzte Mal über den Status ihrer Beziehung gesprochen, geschweige denn über die damit einhergehenden Gefühle?

„Warum brauchst du so lange, um zu antworten?“ Fragte sie ihn. Ihre Stimme klang jetzt wesentlich beherrschter.

„Ich ...“ Er suchte nach den richtigen Worten. „... bin einfach nur erstaunt, wie du gerade jetzt darauf kommst. Es ging doch um Ben oder nicht? Du warst doch wegen ihm traurig.“

„Wir sind jetzt allein Andreas. Keine Kinder mehr da, die uns helfen den Schein zu wahren.“

„Ich weiß nicht was du meinst.“ Seine Überforderung mit der Situation war nicht geheuchelt. Sicher hatten sie ihre partnerschaftlichen Defizite, aber gerade die letzten Jahre waren doch ruhig gewesen, was sie beide anbelangte.

„Also?“

Er war ratlos in diesem Moment. Was sollte er ihr antworten? Was machte die Liebe zu einem Menschen überhaupt aus? Das Ausmaß der Gedanken, welche man seinen Partner widmete? Dass man ihn vermisst, wenn man ihn nicht sah? Die körperliche Sehnsucht nach ihm? Scheiße!

„Ich finde es einfach absurd, dass du gerade jetzt ...“

„Jetzt antworte doch mal! Ich bin auch nicht sauer auf dich, nur sei einfach ehrlich zu mir, bitte!“

Es verstrich die Zeit, ohne das er eine passende Antwort fand. Wie konnte sie auch diese, einfach mal so, von ihm einfordern? Er hatte sich ja wirklich kaum Gedanken gemacht, weder um sich selbst, noch um sie.

„Ich weiß es nicht, Melanie. Ich bin einfach nur leer im Kopf.“

Würde ihr das als Antwort reichen? Im Grunde genommen war es ja wirklich genau das, was er in diesem Zusammenhang empfand.

Langsam drehte sie sich zu ihm um. Die Augen stark gerötet, zeigte das Gesicht seiner Frau eher Anspannung, statt Verzweiflung oder Trauer. Sie schien sich viele Gedanken zu dieser Situation gemacht zu haben, in welche sie sich beide nun befanden. Wie sonst auch zu allen möglichen Sorgen und Ängsten, welche ihrem kleinen Kopf innewohnten.

„Jetzt, wo die beiden ausgezogen sind, hättest du die Chance ein neues Leben zu beginnen, Andreas. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit für dich, richtig glücklich zu werden?“

In diesem Moment hörte er ein Rauschen in seinem Kopf. Was faselte sie da bloß? Wie kam sie auf so etwas? Wieder war er sprachlos für diesen Augenblick, richtete seinen Blick auf das Fenster, hinter dem sich noch immer das Dunkel der Nacht zeigte und wusste nicht, wie er sich konstruktiv mit dieser Farce auseinandersetzen könnte. Was oder wer hatte Melanie ins Hirn geschissen? Woher kam das nur? Sofort ärgerte er sich darüber, dass er so abfällig über sie dachte. Wahrscheinlich war es die Trauer um Ben, die ihre Gedanken in allen möglichen Richtungen entgleisen ließ.

„Und warum sollte ich das wollen?“ Fragte er sie zurück.

Melanie schien sich auch darüber Gedanken gemacht zu haben. Wenn er ehrlich wahr, hatte er damit gerechnet. Sie zerpflückte alle möglichen Gedankenkonstellationen ihr wichtiger Menschen, jenes was sie sagten, oder wie sie sich ihr gegenüber gegeben hatten. Natürlich war das auch jetzt der Fall gewesen.

„Andreas. Sei nicht böse, bitte. Du spürst doch auch, wie sehr wir die letzten Jahre aneinander vorbei gelebt haben. Die Kinder, unsere Berufe ..., wir beide sind uns doch mehr oder minder nur noch begegnet und haben uns über alles Mögliche Gedanken gemacht, nur nicht um uns. Ich bin nicht glücklich damit und du bestimmt auch nicht.“

Ein Verdacht drängte sich in seinen Kopf, begleitet von einem Gefühl von Übelkeit.

„Hast du jemand anderen?“

Melanie zeigte sich ehrlich entsetzt über seine Frage.

„Was? Nein! So gut solltest du mich kennen.“

Er war erleichtert. Seine Frau war eine sehr schlechte Lügnerin.

Schweigen, Stille, bedrückende Stimmung. Man kannte das. Ähnliche Situationen zwischen ihnen beiden hatte es auch schon früher gegeben.

„Ich war nicht unglücklich in den letzten Jahren.“ Stellte er tonlos fest. Aber tatsächlich war es so. Glücklich vielleicht auch nicht, aber er hatte einfach seinen Trott herunter gelebt. Es war für ihn okay gewesen, aber eben anscheinend nicht für seine Frau.

„Aber wie geht das?“ Fragte sie ihn, dabei in seine Augen blickend. Ihr Gesicht war nach wie vor attraktiv und eher durch die Anspannung gezeichnet, als durch ihr Alter. Ganz im Gegensatz zu ihm selbst. Er war fast fünfzig und sah auch seinen Jahren entsprechend aus.

„Wir haben seit über einem Jahr nicht mehr miteinander geschlafen, Andreas. Das wir mal mit einander im Kino waren, ist noch länger her. Ein Essen zu meinem Geburtstag im letzten Jahr... , schade nur dass die Kinder dabei waren.“

„Red Tacheles! Worum geht es dir jetzt eigentlich?“ Fragte er gereizt.

Sie blickte ihn mit großen Augen an.

„Das tue ich doch gerade! Kapierst du das denn wirklich nicht? Es geht um uns beide, Andreas. Darum, ob wir eine gemeinsame Zukunft haben. Du magst nicht unglücklich gewesen sein, toll, aber ich war nicht einmal das. Verstehst du mich jetzt? Ich würde mich gerne als Frau fühlen, als deine Frau wohlgemerkt. Nur weiß ich nicht mehr, wann das dass letzte Mal der Fall gewesen war.“

„Und warum bist du bei mir geblieben, wenn unser Leben für dich so furchtbar gewesen ist?“

Melanie ließ ihre Augen rollen, zog ihre Stirn in Falten und griff mit ihrer linken Hand nach dem über ihre Schulter hängenden blonden Pferdeschwanz.

„Weil wir eine Familie sind? Weil wir mit der Geburt unserer Kinder auch eine Verantwortung übernommen haben? Wir hatten schon mal darüber gesprochen, erinnerst du dich? Wir wollten vernünftig miteinander umgehen, das haben wir all die Jahre auch getan. Nur das reicht mir jetzt nicht mehr.“

„Willst du die Scheidung?“ Fragte er, ungläubig dass dieses Gespräch ausgerechnet an dem Tag stattfinden musste, an dem der Junge die Wohnung verlassen hatte. Sie hätte wenigstens noch ein wenig warten können, um den Schein zu wahren. Ihm war schlecht in diesen Moment. Spätestens jetzt war ihr Leid auch bei ihm angekommen.

„Nein! Ich will ein Leben mit dir. Glaubst du, ich weiß nicht, was ich an dir habe? Nur brauche ich ein wenig mehr, verstehst du? Und deshalb möchte ich mit dir jetzt reden.“

Er hielt seinen Blick auf die Frau gerichtet, die ihm die längste Zeit seines Lebens begleitet hatte. Wenn man ihn gefragt hätte, wie gut man sich kannte, dann hätte er bestimmt geantwortet, dass es da keine offenen Fragen mehr zwischen ihnen geben konnte und jetzt?

„Gut! Dann tun wir das. Du hast Recht. Wir haben sicher unsere Defizite, aber es liegt an uns, diese auszuräumen, richtig? Sprechen wir darüber!“

„Keine Defizite! Nenn das bitte nicht so. Bedürfnisse, einverstanden?“

Sie war sichtlich darüber erleichtert, dass sie mit ihm sprechen konnte. Andreas war ein sehr rational denkender Mensch. Oft hatte er sie mit seiner Nüchternheit gequält, doch in solchen Momenten, war dieser Wesenszug ihr Verbündeter. Auch schien er in ihnen nach wie vor etwas zu sehen, vielleicht genug, damit auch sie wieder etwas fand, woran sie sich klammern durfte?

„Ich wünsche mir eine Partnerschaft. Momente, welche uns beiden gehören. Ausgehen, Freunde treffen, vielleicht eine Reise? Mal lieb vögeln aus der Lust heraus und nicht begleitet von dem Gefühl des Müssens. Verstehst du?“

„Wie meinst du das?“ Fragte er sie gereizt.

Sie seufzte. Es war typisch Mann, dass er sich ausgerechnet an diese Feststellung zu stören begann.

„Als wir uns kennenlernten, haben wir uns auf solche Momente gefreut. Du hast dir Mühe gegeben und mich hinterher gefragt, ob es schön für mich war. Das fehlt mir.“ Sie wollte es ihm leichter machen. „So wie dir ja offensichtlich auch etwas fehlt.“

Er schüttelte seinen Kopf.

„Nein. Sehe ich nicht so. Es war für mich gut, so wie es war.“

Melanie konnte nicht anders, sie musste lachen. Seine Antwort klang als purer Hohn in ihren Ohren.

„Warum finde ich dann alle paar Tage Papiertaschentücher im Badezimmereimer? Hältst du mich für so doof? Warum holst du dir heimlich einen runter, wenn du mich genausogut hättest fragen können?“

Stille. Wieder einmal. Er starrte sie an, unfähig auf ihren Vorwurf zu reagieren. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass sie ihn ertappt haben könnte.

„Du guckst in den Müll?“

Sie nickte.

„Seit dem ich den Eimer einmal versehentlich umgestoßen habe, schon. Ich wollte nicht dass die Kinder etwas finden, was dich oder Ben in Verlegenheit bringen könnte.“

„Und was ist mit dir? Gilt nicht das selbe auch für dich?“

Sie schwieg und richtete ihren Blick auf irgendeinen Punkt hinter ihm. Wahrscheinlich empfand sie es nicht als fair, dass er erneut mit einer Gegenfrage reagierte.

„Ich finde es auch nicht so spannend, wenn ich von meiner Frau immer wieder das Gefühl vermittelt bekomme, dass sie sich zum Sex mit mir überwinden muss. Oder sie das Hemd und den BH dabei anlässt.“ Es war jetzt sein Frust, welcher aus ihm sprach. „Oder das ich es bin, der sich um jeden Scheiß kümmern muss, ohne dass es mal ein Danke gibt oder jegliche andere Form von Anerkennung. Der ständig drücken und schieben muss, damit sich in dieser Familie etwas bewegt. Nicht nur ich hatte ein „Bitte nicht sören!“ Schild auf meiner Stirn kleben, du doch genauso.“

Die Türglocke klirrte. Sie unterbrach nicht nur ihren Streit, sie hinterließ auf ihre beiden Gesichter ein deutlich erkennbares Fragezeichen. Wer konnte das um diese Zeit nur sein?

„Ich gehe kurz aufmachen.“ Erklärte er sich ihr und stand vom Sofa auf.

Seine Frau nickte, einen ratlosen Blick in die Richtung gerichtet, in welcher die Wohnungstür lag. Er konnte fühlen, dass sie in diesen Moment an den Sohn dachte. Auch ihm kam dieser Gedanke. Vielleicht hatte Ben, trotz aller Kontrollen etwas vergessen?

„Juri?“

„Ich hab Licht hinter eurem Spion gesehen, da habe ich geklingelt. Habt ihr zufällig etwas Zahnpaste für mich?“

Andreas verwunderter Blick wanderte über den stämmigen Rocker mit den weißgrauen Haaren. Er war Dozent an der Fachhochschule, was man aufgrund seiner Lebensführung und seiner Äußerlichkeiten niemals vermutet hätte. Er wirkte immer etwas verwahrlost, war vergesslich und seine Gedanken wahren durchweg mit Politik, Gesellschaft oder Frauen beschäftigt. Dennoch kreuzte er als Nachbar immer wieder bei ihnen auf, dabei die einfachsten Notwendigkeiten seiner eigenen Lebensführung anfragend. Verpeilt und unorganisiert,² wie er war, vergaß er oft, das Notwendigste seines Alltags einzukaufen.

„Komm kurz rein. Wir haben sicher noch irgendwo eine Tube.“

Juri folgte ihm in die Wohnung. Einen Kopf größer, hatte er fast doppelt so breite Schultern wie der Wohnungseigentümer. Auch der Bauch, den er vor sich her trug, war ziemlich voluminös.

„Sind die beiden jetzt weg?“ Fragte der Nachbar, in der Tür zum WC stehen bleibend.

„Ja.“ Kam es kurzangebunden zurück.

„Und ihr beide habt heute frei?“

Andreas kramte im Badezimmerschrank, fand aber nicht sofort das Gesuchte.

„Wir wollten sie eigentlich zum Flughafen bringen. Aber Ben wollte es Melanie nicht noch schwerer machen und hat einen seiner Freunde gebeten.“

„Geht es deiner Madame sehr schlecht?“

Andreas fasste einen Entschluss und gab dem stämmigen Mann die Tube, welche sie selbst gerade in der Benutzung hatten.

„Hier!“ Er besann sich auf die Frage des Freundes. „Ja, uns beiden.“

Juri gähnte ungezwungen, hielt sich aber dann wenigstens im Nachgang seine Hand vor den Mund. „Sorry, bin gerade erst aufgestanden.“ Erklärte er sich.

„Ich würde ja an eurer Stelle jetzt Party machen, wenn schon die Bälger pflücke geworden sind. Tanzt nackt durch die Wohnung, macht laut Musik und ladet euren Nachbarn zum Essen ein!“

Andreas musste lachen. Seltsam, dass der Nachbar das Thema zwischen seiner Frau und ihm aufgriff, ohne davon zu wissen.

„Geht jetzt bitte wieder. Wir versuchen gerade mit der Situation zurecht zu kommen.“

Juri tat verständnisvoll und ließ sich aus der Wohnung herauskomplimentieren.

„Bis heute Abend vielleicht. Könnt ja zu einem Kaffee oder Tee rüberkommen. Müsst die Kinder ja nun nicht mehr um Erlaubnis fragen.“

Andreas schüttelte grinsend seinen Kopf, blickte dem Nachbarn nach, wie er seine Wohnungstür öffnete, und schloss anschließend die eigene Tür hinter sich.

„Was wollte der schon wieder?“ Fragte seine Frau, noch ehe er das Wohnzimmer betreten hatte.

„Er hat vergessen Zahnpaste zu kaufen, da habe ich ihm unsere Angebrochene gegeben.“

Melanie sah ihn entgeistert an.

„Schön! Dann kannst du gleich zum Einkaufen gehen. War die Letzte.“

Andreas setzte sich wieder zu ihr und griff nach ihrer Hand.

„Weißt du was?“

Sie blickte fragend zu ihm auf. Vielleicht lag auch etwas Hoffnung in ihren grünen Augen?“

„Lass uns einfach neu anfangen.“

„Und wie?“

„In dem wir ganz offen zueinander sind und ein paar Schritte aufeinander zumachen?“

„Und das willst du wirklich?“ Fragte sie unsicher.

„Darüber muss ich nicht nachdenken.“

Melanie lächelte. Er war erleichtert.

„Okay. Aber in allem, hörst du? Ich mein das, was wir für einander tun können.“

„Geht es hier jetzt wieder ums Vögeln?“ Fragte er.

Sie blickte zu ihm auf.

„Ja, aber nicht nur. Ich möchte dich einfach wieder genießen können, kannst du das verstehen? Gerade jetzt, wo wir endlich wieder die Möglichkeit haben.“

Andreas senkte seinen Blick vor ihr, richtete ihn auf den Boden, dann wandte er sich ihr wieder zu und zeigte sich einverstanden.

„Ja, ich denke schon.“


Liebe Leser, wenn ihr Anregungen, Fragen und Vorschläge zu meinem Beitrag habt, würde ich mich sehr darüber freuen, diese zu hören. Ob auf dem Weg über das Forum oder auf Twitch über nachfolgenden Link ..., mir ist beides lieb. Vielen Dank für die Unterstützung.

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Re: Neustart Teil 1 (Twitchprojekt)

Beitrag von Stiekel »

Hallo Japak,

deine Geschichte ist flüssig erzählt und ich würde gerne wissen, wie es mit den Beiden weitergeht. Ich kann mich in sie hinein fühlen.

Liebe Grüße,
Sabine
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Nur wer sich selber liebt ist fähig,
auch andere zu lieben.
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