König Ziegenpeter und sein Narr

Hier könnt Ihr Auszüge aus Euren Büchern, Manuskripten veröffentlichen.
Bei der Länge kommt es sicher auf den Inhalt an, dennoch reichen evtl. 2 DIN A Seiten aus.
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Pinto
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König Ziegenpeter und sein Narr

Beitrag von Pinto »

Leseprobe aus:

König Ziegenpeter und sein Narr


Ein paar Worte zu dem, was vorher geschah:
König Peter I, der Herrscher über ein spätmittelalterliches Mini-Reich hat seine Frau bei der Geburt der Tochter Gerlinde verloren. Erst etliche Jahre später (Das Töchterlein ist schon ein hübscher Teenie) heiratet er erneut, denn er wünscht sich sehnlichst einen männlichen Thronfolger. Doch der bleibt aus, so sehr er sich auch müht. Seine neue Frau Helene erfährt, dass der arme Peter vor einiger Zeit an Mumps erkrankt war, was ihn zeugungsunfähig machte. Von da an nennt sie ihn heimlich Ziegenpeter. Von seinem Lenden-Gebrechen weiß der König nichts, und so beschließt die schöne Helene, sich eines "Spenders" zu bedienen.



Man muss es Helene hoch anrechnen, dass sie lange mit sich rang. Und so dauerte es seine Zeit, bis sie einen Entschluss gefasst und ihre Wahl getroffen hatte. Bei Hofe gab es nur einen Mann, der so schön von Gestalt und so scharfsinnig im Geist war, dass er es mit dem König aufnehmen konnte. Er hieß Walter und bekleidete das wichtige Amt des Hofnarren. Nein – nicht Walter von der Vogelweide. Der hatte zwar erst vor kurzem ein Opernarie-Konzert im Schlosspark gegeben und seitdem verzehrte sich Töchterchen Gerlinde nach ihm, aber der war längst weiter gezogen und ließ sich anderenorts von seiner weiblichen Fan-Gemeinde die Keuschheitsgürtel auf die Bühne und um die Ohren schmeißen. Helene dagegen befand sich längst nicht mehr in dem Alter, wo das Schlagen der Laute ekstatische Ausbrüche verursachte.
Helene ging es langsam an.
Sie bedachte den Narren mit kleinen Komplimenten, die der geistreich zu erwidern wusste. Sie überschüttete sich förmlich mit Duftwässerchen, bevor sie seine Nähe suchte und sie reizte ihn mit kleinen, zufällig erscheinenden Berührungen. Als bereits ein gewisser Vertrautheitsgrad erreicht war, strich sie ihm auch schon mal durch das lange glatte Haar oder beugte sich, hinter ihm stehend, hinab, um liebevoll an seinem Ohr zu knabbern. Ich vermute, die Redewendung: „Sie hatte einen Narren an ihm gefressen“, geht auf ein solches Geschehnis zurück.
Doch Walter blieb zurückhaltend. Eine Affäre mit der Königin konnte ihn womöglich den Kopf kosten. Auf ihren Wunsch hin besuchte er sie zwar regelmäßig in ihrer Kemenate, aber er vermied jegliche weitergehende Intimitäten. Und Helene wiederum verbat die gute Erziehung, ihrerseits in die Totaloffensive zu gehen. Kurzum - die Sache wollte sich nicht so recht entwickeln und geriet ins Dümpeln.
Helene spürte sogar, wie sich erste Zweifel an ihrer Attraktivität anzuschleichen begannen. Und das umso mehr, als sie gewahr wurde, welch begehrliche Blicke Walter hin und wieder in Richtung ihrer ungeratenen Stieftochter verschwendete.
Es war nämlich gekommen, wie es Helene prophezeit hatte. Die schneeweiße Haut der inzwischen siebzehnjährigen Prinzessin präsentierte sich makellos glatt. Umrahmt wurde das niedliche Gesicht von ebenholzfarbenen Haaren, die ihr bis tief in den Rücken fielen. Ihre blutroten Lippen vermochte sie zu einem bezaubernden Schmollmündchen zu formen. Gerlinde hatte sich zu einer blassgesichtigen und damit dem Zeitgeschmack komplett entsprechenden Schönheit entwickelt. Helene spürte mit dem sicheren Instinkt einer erfahrenen Frau, dass hier eine Gefahr für ihre Pläne herauf bzw. heran wuchs. Sie musste handeln.
Ich weiß, woran der geneigte Leser jetzt denkt. Schneewittchen! Weiß wie Schnee, schwarz wie Ebenholz und rot wie Blut – wer kennt das nicht? Doch wie ist die Märchenprinzessin zu ihrem sonderbaren Namen gekommen? Weiß wie Schnee … Okay – aber der Rest? Was ist denn ein "Wittchen"? Selbst die Gebrüder Grimm lassen uns da im Dunklen tappen. Dabei hat dieser Name einen ganz ordinären Ursprung. Auslöser war kein anderer als unser Hofnarr.
Er hatte sich eines Abends in eine Kammer geschlichen, die an Gerlindes Kemenate grenzte und von dieser nur durch eine massive Holzwand getrennt war. Dorthinein bohrte der Narr an unauffälliger Stelle ein kleines Guckloch. Er musste auf diesem Posten allerdings sehr viel Geduld aufbringen, bis er das Glück besaß, Sieglinde aus dem Badezuber steigen zu sehen, denn mit der Reinlichkeit hatte man es damals nicht so. Eines Abends kam er dann aber gerade zurecht, um Sieglinde, die Schaumgeborene, aus dem Bottich empor tauchen zu sehen.
Walter war von diesem Anblick so überwältigt, dass er, alle Vorsicht vergessend, euphorisch ausrief: „Was fier scheene Diddchen!“
Das war sogar nebenan in den Gesindestuben zu hören, und schon war es im Schloss wie ein Lauffeuer herum. Gerlinde hatte ihren heimlichen Spitznamen weg: Scheendiddchen!
Die Gebrüder Grimm, die in der prüden Zeit der Romantik ihre Schaffensphase hatten, entschärften diesen anstößigen Spitznamen und kreierten die völlig jugendfreie Bezeichnung „Schneewittchen“. Aber das ist eine völlig andere Geschichte.

Ob solcher Begeisterungsausbrüche ihres Favoriten reagierte Helene äußerst pikiert. In ihrer Weiblichkeit zutiefst verletzt, beschloss sie, nun doch aufs Ganze zu gehen. Als ihr Herr Gemahl wieder einmal in Regierungsgeschäften in seinem Musterländchen umher reiste, bestellte sie den Narren zu sich und funkelte ihn wütend an.
„Was fällt dir eigentlich ein?“, zischte sie. „Ich werde dich auspeitschen lassen! Das ganze Gesinde rennt nur noch mit grinsenden Gesichtern durch die Gänge, und keiner nennt die Prinzessin noch beim richtigen Namen.“
Der Hofnarr wusste, dass er Reue zu zeigen hatte und verneigte sich besonders tief vor seiner Herrin. Als er den Kopf wieder hob, drohte ihm schwindelig zu werden. Helene hatte ihr Mieder geöffnet und präsentierte dem verdutzen Narren ihre formvollendeten Riesen-Halbkugeln.
„Na, wie gefallen dir diese Exemplare?“, fragte sie und ließ es ein wenig wippen.
Walter sagte nichts. Zum einen klebte seine Zunge in der staubtrockenen Mundhöhle fest und zum anderen vermochte sein plötzlich blutleeres Hirn keinen vernünftigen Satz zu formulieren. Letzteres war auch der Grund dafür, dass aus seiner Birne alle Bedenken heraus gefegt wurden.
Walter fand seinen Verstand erst wieder, als er nach ekstatischen Minuten, wie ein Maikäfer pumpend, von der Königin rollte. Dem ungleichen Paar blieb aber keine Zeit der Besinnung, geschweige denn, aus der verfänglichen Situation eine unverfängliche zu machen. Der König hatte – Zufall oder nicht – seine Dienstreise spontan unterbrochen und kam gerade zurecht, um seine Gemahlin an der Seite des Hofnarren nackt auf dem dicken Orientteppich vor dem Kamin liegen zu sehen, wo sie gerade dabei waren, ihren überhitzten Körpern eine wohlverdiente Pause zu gönnen.
König Ziegenpeter stand einen Moment lang zur metaphorisch sattsam bekannten Salzsäule erstarrt. Er wechselte ein paarmal die Gesichtsfarbe, bis sie schließlich bei einem satten Violett angekommen war. Inzwischen hatten sich auch seine Lungen bis zum Bersten gefüllt – und nun brüllte er los. Es war, als würde mitten im Schloss ein Gewitter toben. Der sich dabei entwickelnde Sturm blies die untreue Gemahlin mit Schimpf und Schande außer Landes und den Narren in den Kerker. Dann trat eine unheimliche Stille ein.
Schreiben ist Therapie. :)
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