Bundesbürgers Abendgebet

Gedichte aus dem täglichen Leben
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Kieselstein
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Bundesbürgers Abendgebet

Beitrag von Kieselstein »

Endlich einmal volle Kirche,
Pfarrer strahlt zur Wendezeit:
sind die Menschen etwa endlich,
zur Bekehrung nun bereit?

Kurz nur diese Glücksgefühle,
- Aufwind im Gemeindeleben -,
denn die Menschen blieben glatt,
an der harten D-Mark kleben.

Davon Kirchensteuer zahlen?
nein, so dumm sind wir nun nicht,
es reicht wenn „C“ wir Stimme geben,
Gott hat nicht so viel Gewicht.

Marktwirtschaft braucht Ellenbogen,
und nicht Langmut, Freundlichkeit,
Sünden werden aufgewogen,
von der Freiheit unsrer Zeit.

Beten tun wohl viele Leute,
doch nicht um das täglich Brot,
nicht um Glauben, Hoffnung, Liebe,
alles käuflich - keine Not.

Wenn wir eine Bitte haben,
dann doch mehr zum Freizeitspaß,
dass der Abendkrimi spannend,
und der Schurke beißt ins Gras.

Beten woll`n wir auch für Helden,
vom verehrten Fußballclub,
denn wenn die eins drüber kriegen,
ist versalzen uns die Supp’.

Lieber Pfarrer, hier ein Tipp noch,
wirf den Großbild-Beamer an,
und wir singen Lobgesänge,
auf Libero und Stürmer dann.

Doch verschon uns mit den Träumen,
- friedlich Löwe neben Schaf -,
fressen und gefressen werden,
davon träumen wir im Schlaf.

Ewigkeit kam uns abhanden,
erinnere nicht uns an den Tod,
erst wenn Welt steht ganz im Flammen,
dann schick uns Gott, wie einst dem Lot.

Kieselstein 09/2013
Lena
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Re: Bundesbürgers Abendgebet

Beitrag von Lena »

Bissig und so wahr!
Ein gelungener Text.

LG Lena
Das höchste Gut ist die Harmonie der Seele mit sich selbst.
Seneca
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