AUF DER SCHWÄBISCHE EISEBAHNE

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heuberger
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AUF DER SCHWÄBISCHE EISEBAHNE

Beitrag von heuberger »

Große Freude bereitet uns doch immer wieder eine Fahrt mit der Deutschen Bahn. Allein schon die perfekten Durchsagen in den Zügen während der Fahrt erfreuen immer wieder des Reisenden Herz und helfen, seine Stimmung zu heben, falls mal wieder eine Klimaanlage ausgefallen ist, oder falls der Anschlusszug nicht erreicht wird, infolge Verspätung. Und wenn diese Durchsagen dann auch noch in gelungenem Englisch vorgetragen werden, dann ist ein Niveau erreicht, das einfach immer wieder zu unkontrollierten Heiterkeitsausbrüchen führt. Ein dreifach Hoch auf die Professionalität der Schulung des Personals der Deutschen Bahn AG! Aber nicht nur die Durchsagen überzeugen, auch im direkten Umgang des Zugpersonals mit den Reisenden blitzt immer wieder dessen gescheite und vorausschauende, manchmal geradezu philosophisch abgeklärte Art auf. Hier ist alles auf höchstem Niveau. Von einer solchen Begebenheit soll hier berichtet werden.

Es war im Hauptbahnhof in Stuttgart. Auf Gleis 3 stand der IC von Stuttgart nach Zürich zur Abfahrt bereit. Diese Strecke wurde im IC-Verkehr ausschließlich von der Schweizerischen Bundesbahn (SBB) befahren. Der Zug hielt an diesen Stationen: Böblingen, Horb, Rottweil, Tuttlingen, Singen(Htw.), Schaffhausen, Zürich. Der Wagen war etwa zu zwei Dritteln besetzt, als der Pfiff des Begleitpersonals zur Abfahrt ertönte.
Als sich der Zug in Bewegung setzte, ging die automatische Abteiltür nochmals auf, und ein uraltes Mütterchen kam herein, setzte sich auf einen freien Sitzplatz und fing an zu trällern.
lala Laa Laa Laa Laa Laa lala Laa …

Da schauten ein paar der Mitreisenden verwundert hoch, runzelten die Stirn und schüttelten ihre Köpfe. Das alte Mütterchen ließ sich dadurch aber nicht beirren und fuhr fort: lala Laa Laa Laa Laa Laa lala Laa …

Jetzt wurden die Leute aber doch aufmerksam, und einige von ihnen äugten missmutig herüber. Die Sängerin jedoch dämpfte etwas den Ton und summte fröhlich weiter: lala Laa Laa Laa Laa Laa lala Laa …

Es war das alte Badnerlied, das sie zum besten gab. Dies gilt, im Schwäbischen gesungen, eigentlich als Provokation gegen die Schwaben, bloß reagieren die kaum darauf, weil sie es meistens gar nicht kennen. Und hier im Zug saßen zumeist Fahrgäste aus der Schweiz, die nach einem Einkaufsbummel in Stuttgart wieder zurück in ihre Heimat fuhren. Und die interessierten sich gleich gar nicht für innerdeutsche Zwistigkeiten. Außerdem ist doch sehr zu bezweifeln, dass das alte Mütterchen wirklich provozieren wollte. Dazuhin sang sie ziemlich falsch, so dass die Melodie kaum zu erkennen war: lala Laa Laa Laa Laa Laa lala Laa …

So allmählich nervte die Alte aber doch ziemlich, zumal sie wieder laut zu trällern anfing. Die anderen Reisenden wurden nun doch ziemlich unruhig und gereizt. Einige Bemerkungen waren zu vernehmen, etwa: „So alt, und dennoch am hellen Nachmittag bereits stockbesoffen in den Zug steigen…“ Andere wiederum meinten, sie litte an fortgeschrittener Demenz (sozusagen „plem-plem“). Drüben schallte es fort und fort: lala Laa Laa Laa Laa Laa lala Laa …

Der Zug war nur noch 10 Minuten von Böblingen entfernt, und immer noch tönte es : lala Laa Laa Laa Laa Laa lala Laa …

Die ersten Fahrgäste erörterten im Geiste bereits finstere Mordpläne, vom Erwürgen bis hin zum Hinauswerfen aus dem fahrenden Zug. Da, endlich, ging die Tür zum Wagenabteil auf, und der Schaffner trat herein zur Fahrscheinkontrolle. Die Reisenden machten ihn sofort aufmerksam auf sie Störenfriedin, die gerade wieder zu neuem Gesang ansetzte. lala Laa Laa Laa Laa Laa lala Laa …
Der Schaffner ging zu ihr hin. „Gute Frau, was singt Ihr denn andauernd vor Euch hin und stört die anderen Fahrgäste?“ Als sie merkte, dass er mit ihr sprach, unterbrach sie ihren Singsang und antwortete: „Ach, junger Mann, sehet, ich bin schon ein sehr altes Weiblein, und habe meine Gedanken nicht mehr so beisammen, ich vergesse halt sehr viel, und --- und --- und jetzt hab ich den Faden verloren. Worüber haben wir uns denn unterhalten?“ „Ihr wolltet mir erzählen, warum Ihr dauernd vor Euch hin singt.“ „Ach ja, jetzt weiß ich´s wieder: Ich singe, damit ich nicht vergesse… hm, es hat mit meiner Fahrt zu tun, ach ja: ICH MUSS IN SINGEN AUSSTEIGEN. UND DAMIT ICH DAS NICHT VERGESSE, SINGE ICH HALT DAUERND.
WER IN SINGEN AUSSTEIGEN WILL, MUSS SICH SINGEND DEM GESANG HINGEBEN, JUNGER MANN!“ lala Laa Laa Laa Laa Laa lala Laa …
Da huschte der Anflug eines Lächelns über das Gesicht des Schaffners, und er beugte sich vor und flüsterte: „Das ist ok, singen Sie ruhig weiter, aber summen sie bloß und brüllen Sie nicht mehr.“

Dann wandte er sich an die anderen Reisenden und sprach: „Das ist in Ordnung mit dem Singen, freuen Sie sich, dass heute so ein schöner Tag ist ---
UND SEIEN SIE FROH, DASS SIE BLOSS NACH SINGEN WILL UND NICHT NACH PFORZHEIM!“
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