DER KAMPF AN DER PÄDAGOGISCHEN FRONT

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heuberger
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DER KAMPF AN DER PÄDAGOGISCHEN FRONT

Beitrag von heuberger »

NUR EIN TEILSIEG
Die Lehrer schieben nur äußerlich gesehen eine ruhige Kugel. Erst bei näherer Betrachtung wird uns klar, dass sie in Wirklichkeit in stetem Einsatz sind an der pädagogischen Front. Sie führen einen dauernden erbitterten Krieg gegen Angriffe der Unwissenheit, des unfreien Denkens, des falschen Handelns und einer vulgären Ausdrucksweise.
Schon bei meinen Erstklässlern war mir wieder aufgefallen, dass sie im Umgang miteinander sich einer rauen, bilderreichen und herzhaft rustikalen Sprache bedienten, im Klartext: Sie warfen sich gegenseitig sehr ordinäre Wörter der Fäkalsprache an den Kopf, buchstäblich. Dem musste ich gegensteuern, allein schon aus beruflichen und zivilisatorischen Gründen. Denn schließlich weiß man ja auch, was sich gehört.

Nun gehören diese Kraftausdrücke aber durchaus auch zu unserer Kultur. Und nur völlig durchgeknallte Korrektheitsfanatiker/Innen versuchen im Ernst, deren Gebrauch durch Verbote völlig zu unterbinden. Ein Vorsatz, der allein schon ein bedeutendes Indiz für ihre faschistoide Gesinnung ist.
Also gilt:
Verbot? – nein Einschränkung? – ja
Nun ist es eine Art Naturgesetz, dass auch Ecken und Kanten durch vielen Gebrauch abstumpfen. Dies gilt für alle Bereiche. Steine mit schneidend scharfen Kanten werden im Flussbett zu runden Kieseln geschliffen. Der übertriebene Einsatz wahrgenommen. Leider gilt dies nicht bei Schmerzen!
Auch Kraftwörter verlieren durch allzu häufigen Gebrauch ihre ursprüngliche Kraft und Schärfe. Also einigte ich mich mit den Kindern darauf, dass wir derlei Ausdrücke nur noch sparsam verwendeten, um allein dadurch schon ihre außerordentliche Bedeutung zu erhalten. Aber, einmal am Tag zumindest, das musste sein!

Ach, was ist Pädagogik doch ein weites, fruchtbares Feld, an dessen frühen (und späten) Früchten wir froh uns erfreuen!

DENKSTE!

Wir hatten an unserer „Zwergschule“ gerade Große Pause. Draußen regnete es, also rannten unsere Kinder in der Pausenhalle herum, machten ihre Spiele, oder saßen, in Gruppen oder einzeln, an den Wänden.

Meine Kollegin und ich waren gerade im Lehrerzimmer, als einer meiner Schüler, Hansi, hereinkam (Wir hatten die erste und Zweite Klasse in unserer Schule) und schluchzend zu mir sagte: „Herr Lehrer, der Johnny sagt immer so ganz böse, komische Sachen zu mir!“
Ich fragte: „Ja, was sagt er denn Schlimmes zu Dir, Hansi?“ und erwartete die üblichen Streitereien unter Kindern.
„Er sagt, ich sei hühnersexuell, oder so!“
Da fing die Kollegin an zu glucksen, und ich musste mich ganz schnell umdrehen, damit der verstörte Junge nicht auch noch mein Lachen mit ansehen musste.

Als ich mich beruhigt hatte, sagte ich: „Ich rede mal mit Johnny, damit er nicht mehr solchen Blödsinn zu Dir sagt.“
Dann ging ich, in etwas geladener Stimmung, zum Johnny hin und sprach ihn an: „Du, Johnny, sei doch so lieb und red´ nicht immer solch einen Scheißdreck an den Hansi ran!“
Da blickte Johnny (auch ein Erstklässler) mich entgeistert an und meinte fassungslos: „Mein Gott, Herr Lehrer, was bist Du doch für ein ordinärer Mensch!“

Jetzt war ich einerseits entsetzt und niedergeschlagen wegen des kläglichen Scheiterns meiner pädagogischen Mission, den Jungen zu mehr Rücksicht zu bringen.
Diese Bemühungen hatten Schiffbruch erlitten.

Andererseits aber war ich doch stolz und hocherfreut über die üppigen und glänzenden Früchte meiner Bemühungen, was einen gehobenen Umgangston in der Klasse anging.

So zerreißt´s eben viele Lehrer zwischen zu Tode betrübt und himmelhoch jauchzend.
Denkt dran, wenn Ihr mal wieder so einem komischen Kauz begegnet!
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