Der Leidensweg

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Stiekel
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Der Leidensweg

Beitrag von Stiekel »

Gertrudes Mama Henriette war schon so lange ich denken kann, kränklich. Ihre Nerven waren nicht die besten und sie hatte Asthma. In den letzten Jahren litt sie an Osteoporose . Manchmal hatte sie solche Schmerzen, das es ihr schwer fiel, die Teetasse zum Mund zu bekommen. Trotzdem hat sie bis zuletzt ihren zweiten Mann gepflegt. Er ist sehr stark schwerhörig, hat im Krieg einen Arm verloren und vor einigen Jahren wurde ihm ein Seitenausgang gelegt. Außerdem ist er Tablettenabhängig und dadurch oft so müde und schlapp, dass die Frau ihn trotz ihrer eigenen Schmerzen fast rund um die Uhr betreuen musste. Doch sie sagte immer: “Solange ich noch kriechen kann, werde ich mich um ihn kümmern Das hat sie auch getan, bis zum 17. Juli.

Da bekam sie unsägliche Schmerzen. Der Arzt überwies sie mit Verdacht auf Bandscheibenvorfall ins Krankenhaus. Sie weigerte sich hinzugehen, bevor sie nicht wusste, dass ihr Mann gut versorgt ist. Am 20. Juli konnte Gertrudes Stiefvater ins Pflegeheim gebracht werden und ihre Mutter ins Krankenhaus. Doch war es den Ärzten nicht möglich, Henriette zu untersuchen. Sie mussten zuerst eine Schmerztherapie mit ihr machen, weil es sonst eine zu große Qual für sie geworden wäre. Sie jammerte: " Ich habe schon seit drei Wochen keinen Stuhlgang mehr.!"Dann die Diagnose. “Darmverschluss”
Am nächsten Morgen wurde operiert. Man machte der Familie wenig Hoffnung, doch etwa 5 Tage nach der Operation erwachte sie und war auch bei Verstand. Doch ihr Martyrium ging weiter.

Weil sie stark an Asthma litt, wurde sie künstlich beatmet. Sie war an 16 Schläuchen angeschlossen. Sämtliche inneren Organe waren angegriffen. Sie hatte nicht nur einen Darmverschluss, sondern zusätzlich noch ein Loch im Darm, durch das seit längerer Zeit Kot in den Bauchraum gelaufen war. Davon hatte sie jetzt eine Bauchfellentzündung, Wasser in der Lunge, die Nieren wollten nicht mehr wie früher arbeiten und auch die Leber und das Herz waren angegriffen. Trotz allem schien es ihr nach einigen Tagen besser zu gehen. Ihre Kinder schöpften erneut Hoffnung. Als die Fäden gezogen wurden, öffnete sich die Naht, als würde man einen Reißverschluss aufziehen. Hatte sie sich zwei Tage zuvor im Bett schon etwas aufsetzen dürfen, war auch das für sie nun zu Ende. Sie bekam starke Medikamente, dadurch sammelte sich in ihrem Körper so viel Wasser, das man es fast nicht mehr mit ansehen konnten. Zu allem Überfluss fiel sie dann auch noch aus dem Bett. Es ist wahrscheinlich, das dadurch der Darm von neuem riss. Wieder unaussprechliche Schmerzen.

Das war Freitags. Am Montag darauf wurde sie von neuem operiert. Danach hat sie das Bewusstsein nicht wieder erlangt, Doch lag sie mit offenen, wie tot wirkenden Augen im Bett und nahm niemanden wahr. Am Freitag den 13 August darauf erneute Operation. Der Darm war jetzt so porös, das selbst die Ärzte die Hoffnung aufgaben. An diesem Morgen hatte Gertrude bewusst darum gebetet, Gott möge ihre Mama von ihren Leiden erlösen und zu sich nehmen. Man verlegte Henriette in ein Einzelzimmer der Intensivstation. Die Angehörigen wurden benachrichtigt, dass es sehr schlecht um sie bestellt wäre. Die Kinder hielten abwechselnd Wache bei ihr.

Um 16 Uhr rief Getrudes Schwager an, das sich der Zustand rapide verschlechterte. Die Familie versammelte sich um das Sterbelager. Sie hatten noch etwa zweieinhalb Stunden zum Abschied nehmen. Diese Zeit würde keiner von ihnen missen wollen. Sie haben gebetet und Trost und Danklieder gesungen. So konnten sie sich beim himmlischen Vater Kraft holen. Auch Gertrudes Stiefvater war die letzten Stunden mit dabei, und alle waren froh, das er sie in ihrer Sterbestunde nicht alleine lassen musste. Um 18,25 Uhr tat die Leidende im Alter von 84 Jahren den letzten Atemzug und war endlich erlöst.

© Sabine Brauer 19.08.2004
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Nur wer sich selber liebt ist fähig,
auch andere zu lieben.
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