HINTERS LICHT GEFÜHRT

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heuberger
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HINTERS LICHT GEFÜHRT

Beitrag von heuberger »

HINTERS LICHT GEFÜHRT

Trau nie treulosen Tomaten


Und wieder mal eine leicht schräge Geschichte aus Trossingen, der kleinen schrägen Stadt mit unverhältnismäßig vielen schrägen Bürgern. Diesmal passend in die Zeit der Eisheiligen. Erzählt hat sie mir natürlich Freund Uwe, der sprudelnde Quell so mancher verrückten Geschichte.
Die handelnde Person war seine Tante Jutta. Tante Jutta war im Familienkreise wohl berühmt und berüchtigt, manchmal gar gefürchtet, ob ihrer skurrilen Streiche, die sie gerne anderen Menschen spielte. Es war etwas Schelmisches in ihrer Art des Vorgehens. Immer, wenn sie ihre Streiche ausheckte, oder bereits ausführte, gab sie sich besonders harmlos und ohne Arg und Falsch. Wenn sie einen besonders harmlosen und braven Eindruck verströmte, war sie hinter dieser Maske der Biederkeit besonders emsig tätig, Unsinn anzustellen. Wobei sie einer freundlich schnurrenden kleinen Katze glich, die dabei war, mit dem allerfreundlichsten Gesichtsausdruck, Harmlosigkeit vortäuschend, ihr Geschäft auf dem teuren Perserteppich im Wohnzimmer zu verrichten. Allerdings hatten Tante Juttas Streiche ein anderes Kaliber, auf den ersten Blick harmloser, als das Häufchen einer Katze. So glaubte man gern, sie könne kein Wässerlein trüben, dabei hatte sie es faustdick hinter den Ohren. O verruchte Unschuld!
Im Familienkreise war man sich einig, dass Tante Jutta bei ihrer Reifung zum Erwachsensein einen großen Rückschlag erlitten haben musste. Man schämte sich ihrer und versuchte, sie möglichst unerwähnt zu lassen. Nach ihrem Tode würde sie gewiss ins Nirwana der Familiengeheimnisse abtauchen, das war die allgemeine Erwartung.
Und so verbrachte sie Jahr um Jahr denn auch partnerlos, aber fröhlich in ihrem kleinen Häuschen, das in einem größeren Garten stand. Sie war eine fleißige Gärtnerin, die doch immerhin über ein gerüttelt Maß an gärtnerischem Wissen verfügte, dass ihre Nachbarinnen und Nachbarn sie gern um Rat fragten. So stand sie denn auch in dem Rufe, einen „grünen Daumen“ zu haben.
Und genau dies nutzte sie denn auch weidlich aus.
Und wieder war es Mai geworden. Die Eisheiligen waren vorüber, und es wurde Zeit, auch die kälteempfindlichen Pflanzen ins Freie zu stellen. Die vorgetriebenen Tomatenpflänzchen, die bereits eine beachtliche Größe erreicht hatten, wurden an ihren endgültigen Standort gepflanzt, an der Hausmauer. Die Leute, die vorbeigingen, waren zum Teil dermaßen überrascht von dem Anblick, der sich ihnen da bot, dass sie nochmals zurückkehrten und erneut hinsahen. An den Ästen hingen große, rote Tomaten. Und dies erst ein paar Tage nach den Eisheiligen. Der Abstand zum Gartenzaun an der Straße war beträchtlich. Man musste schon genau hinsehen, um zu erkennen, was an der Hausmauer direkt geschah. Von der Straße aus war dies schlicht unmöglich. Also kämpften die Vorübergehenden kurz mit sich, sahen sich verstohlen um, öffneten die Gartentür, eilten auf Zehenspitzen zum Haus, besahen die Pflänzchen und verließen dann eiligen Schrittes den Garten, teils mit grimmigem Gesichtsausdruck, den Kopf schüttelnd, teils mit einem breiten Grinsen oder zumindest Schmunzeln.
Tante Jutta, das Luder, hatte rote Christbaumkugeln an die Tomatenpflänzchen gehängt.
Und jetzt lauerte sie hinterm Vorhang und konnte nicht mehr aufhören zu lachen.
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