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gerhard
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Registriert: Mittwoch 15. Januar 2020, 10:48
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Ein Dankeschön!

Beitrag von gerhard »

Eines Tages im Jahr 1946 ist die hübsche 22jährige Susanne Gruber mit ihrer 3jährigen Tochter Lisi in Wien-Ottakring,einem der Wiener Stadtbezirke,unterwegs - einkaufen,dort,wo es überhaupt etwas zum Einkaufen gibt.

Susanne ist mittelgroß,hat wellige blonde Haare,blaugraue Augen und volle Lippen.Sie trägt ein Kopftuch,über einer karierten Bluse und einer alten Strickweste eine etwas schäbige Jacke,eine Arbeitshose und feste Schnürschuhe.
Auch Lisi hat Schnürschuhe an,von der
Mama gestrickte Wollsocken,ein Kleid,das die hübsche Mama genäht hat,eine Jacke und eine alte Pelzmütze mit Ohrenklappen.

In mehreren Geschäften und jeweils nach langem Anstehen kommen Susanne und ihre Lisi doch zu einigem,das sie brauchen -Susanne ist von den Wollhandschuhen,die sie aufgestöbert hat,ganz begeistert,Lisi von einer alten Puppe,die die Mama in einem Geschäft in einem Regal ganz hinten im Geschäftsraum entdeckt hat.

Beide lachen,und Lisi gibt ihrer Mama ein dickes Bussi auf den schönen Mund.

Die beiden kommen an einer alten Frau vorbei,die auch ein Kopftuch und einen abgetragenen Mantel trägt und hager und verhärmt aussieht.
Als ihr Susanne lächelnd ein Stück Brot und ein Stück Speck sowie eine Karotte und eine Kartoffel zusteckt,sieht das Gesicht der alten Frau wie verwandelt aus!

Lisi guckt ihre Mama groß an und gibt ihr dann einen dicken Kuss!

Ein Mann hat das ganze gesehen:er ist gross,sehr hager,hat graue Haare und ein sehr schönes.aber auch hageres Gesicht mit braunen Augen und vollen Lippen.Er trägt eine alte schäbige Jacke,eine alte Hose und ziemlich schleissige Schuhe.
Als er auf Susanne zutritt und sie anlächelt,ist deutlich zu sehen,dass etliche Zähne fehlen.

Lisi macht ganz große Augen,als der Mann in seine schäbige Umhängetasche greift -und ihrer schönen Mama eine Blume,eine Tafel Schweizer Schokolade(!!)- und einen zaghaften Kuss auf die Wange gibt:

„1938 waren andere Juden und ich beim Strassenaufwischen.Vor einem Jahr bin ich aus dem KZ Mauthausen gekommen.
Damals,1938,standen um uns SA-Männer und Passanten,die teils zusahen,teils die SA-Männer anfeuerten:“Zeigt es der Judenbagage!“

Ein Paar mit einer -sehr hübschen -wohl 14jährigen Tochter kam vorbei. Ihre blauen Augen waren gross und verschreckt,und ich werde nie vergessen,wie sie mit gepresster Stimme ihre Eltern fragte:“Warum sind die zu den Leuten so gemein?“

Er lächelte Susanne mit seinem charmanten Zahnlückenlächeln an:“Dankeschön!“
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