Der Weihnachtsmann und die Sternschnuppen

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rogathe
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Der Weihnachtsmann und die Sternschnuppen

Beitrag von rogathe »

Der Weihnachtsmann und die Sternschnuppen

„Chrchr-pfüh, chrchr-pfüh!“ Ungläubig hielt sich Fini ein schnarchendes Kinderbuch ans Ohr: „Das kann doch nicht wahr sein! Murmo, das Murmeltier ist doch bloß eine Geschichte!“ Sie schüttelte das Buch heftig, als ob dadurch das Schnarchen herausfiele. Sofort rollte ein kleiner Roboter mit einem Schmetterlingsnetz herbei und versuchte die Schnarchtöne einzufangen. „Robert räumt auf!“ schnarrte er blechern. „Spinnt der?“ Rubi wandte sich ratlos an Micki. „Was soll das denn?“ Der Roboter sauste in wildem Zickzack durchs Zimmer, weil er überall anstieß. Ein Fußball wich ihm geschickt aus und blinkte in neongrünem Schriftzug: Ich lasse mich nicht treten. „He, dafür bist du gemacht, schließlich bist du ein Fußball!“, regte sich Brie auf.
„So können die Sachen auf keinen Fall an die Erdenkinder verschenkt werden“, meinte Raffi kopfschüttelnd. „Da bleibt noch allerhand zu verbessern“, fanden auch Fini, Rubi, Micki und Brie. Während die fünf Weihnachtsengel ihre Beurteilungen in die Formulare eintrugen, ging die Tür auf und der Weihnachtsmann schlurfte in Morgenmantel und Filzpantoffeln herein. Verschlafen blinzelnd und heftig gähnend ließ er sich in seinen bequemen Ohrensessel sinken.
„Ah, wie gut, dass ihr alle hier seid. Da könnt ihr mich gleich auf den neuesten Stand der Dinge im Weihnachtsland bringen.“
Die Engel sahen sich verdutzt an. Ausgerechnet jetzt erwachte der Chef aus seinem Sommerschlaf.
„Ähm, lass dir erstmal eine Tasse Himmelstee und frisch gebackene Weihnachtsplätzchen
schmecken“, schlug Fini fürsorglich vor. Sankt Nikolaus lächelte dankbar.
„Na, dann legt mal los! Wie weit sind die Weihnachtsvorbereitungen für die Erdenkinder gediehen? Wie steht es um die Rentiere? War der Schlitten schon beim TÜV?“
Fini begann mit wichtiger Miene: „Die Weihnachtswichtel haben mit der Produktion der Geschenke zwar alle Hände voll zu tun, liegen aber gut im Zeitplan. Die Rentiere sind noch auf der Himmelsweide und nach den letzten Meldungen von Trainer Sportlicher Sigurd, bis auf zwei Verletzte, ziemlich fit. Leider wird ihr Trainingsprogramm jetzt täglich härter.“
Rubi fuhr entrüstet fort: „Stell dir vor, der Schlitten war bereits vom TÜV freigegeben, wurde kurz danach jedoch bei einem Unfall beschädigt, weshalb er zurück in die Werkstatt und danach erneut zum TÜV musste.“
Diese Neuigkeiten beunruhigten den Weihnachtsmann außerordentlich.
„Um Himmels Willen! Ihr hättet mich wecken müssen!“, polterte er.
„Wir dachten, wir hofften, es wäre rechtzeitig wieder alles in Ordnung, bevor du aufwachst“, rechtfertigte Micki kleinlaut ihr Verhalten.
„Wir wollten bloß, dass du dich nicht aufregst!“, pflichtete ihr Rubi bei.
„Das war lieb von euch gemeint, aber ich will auf der Stelle wissen, wie es zu all diesen unseligen Ereignissen gekommen ist!“ Sankt Nikolaus klang bereits wieder ein wenig besänftigter.
Fini holte tief Luft und schilderte die Einzelheiten: „Du weißt doch, dass die Menschen seit einiger Zeit den Weltraum erforschen. Überall fliegen ihre Raketen und Satelliten umher, darunter auch mehr und mehr alte, kaputte Teile. Eines davon prallte auf seiner Umlaufbahn mit hoher Geschwindigkeit gegen den Schlitten, der ihm auf seiner Testfahrt entgegen kam. Dabei zerbrach eine Kufe und sogar der Kutschbock wurde angeknackst. Wie durch ein Wunder blieb Fahrer Tim vom TÜV unverletzt. Aber etliche Glöckchen sowie ein Beleuchtungsstern wurden abgerissen.“
„Der arme Rudolph erhielt einen Schlag auf die Nase, die deshalb momentan mehr blau als rot ist“, fiel ihr Brie aufgeregt ins Wort und Raffi ergänzte eifrig: „Comet erwischte es am Knöchel, sodass er immer noch hinkt. Dank der Spezialwickel von Hildegard mit den Heilenden Händen wird er aber rechtzeitig zum Fest gesund sein.“
„Mittlerweile saust hier oben so viel Schrott umher, dass man seines Lebens nicht mehr sicher ist!“ Fini war zornig.
„In der Werkstatt versuchen die Ingenieure, eine bruchsichere Hülle zu konstruieren, die den ganzen Schlitten, dich und die Geschenkpakete schützen soll. Für die Rentiere entwickeln sie eigene Schutzanzüge“, berichtete Raffi, der sehr an technischen Dingen interessiert war.
„Und die sind viel zu schwer! Die armen Tiere!“ Micki bekam vor Ärger einen hochroten Kopf. „Vor lauter Angst, ausgemustert zu werden, trainieren sie viel mehr als früher. Aber das ist eine viel zu große Belastung für sie!“
Augenblicklich schimpften alle Engel lauthals durcheinander, was für eine Schande und Riesensauerei das doch sei.
„RUHE!“, ermahnte sie der Weihnachtsmann streng und verkündete nach kurzer Überlegung: „Das kann auf keinen Fall so weitergehen! Ich spreche sofort mit den Ingenieuren und sage ihnen, dass sie mit dem Blödsinn aufhören sollen. Meine Rentiere und ich werden dieses Jahr und auch weiterhin wie bisher durch den Himmel fliegen. Wenn Weltraummüll die Sicherheit gefährdet, dann muss er eben weg!“

Umgehend berief er eine Konferenz zum Thema „Entsorgung von Weltraumschrott“ ein, an der sämtliche Ingenieure der Weihnachtswerkstatt und des TÜVs, die leitenden Weihnachtswichtel sowie große und kleine Weihnachtsengel teilnahmen. Sankt Nikolaus übernahm den Vorsitz und leitete die Debatte, die mit jeder Minute hitziger geführt wurde. Der Weise Wilhelm fand die Schlittenschutzhülle prima und verteidigte die Arbeit der Ingenieure. Mehrere Wichtel hatten Mitleid mit den Rentieren, die sich so plagen mussten, und forderten eine tierfreundliche Lösung. Etliche große Engel waren auf der Seite des Weihnachtsmanns. Nach langem Hin und Her schlug Techniker Toni von der Weihnachtswerkstatt vor, mehrere Roboter einzusetzen. „Wir könnten sie wie Robert bauen, nur kräftiger, und sie den Müll mit stabilen Fangnetzen einsammeln lassen. Am Rand der Erdatmosphäre sollen sie den Schrott abladen, damit er verglüht. Auf der Erde werden die Einzelteile dann als Sternschnuppen zu sehen sein.“ Erwartungsvoll blickte er in die Runde. Seine Idee fanden auch die TÜV-Mitarbeiter gut. Schließlich konnten sie die Mehrheit der Konferenzteilnehmer von den Vorteilen dieser Maßnahme überzeugen.
„Ich glaube, dass die Sternschnuppen vielen Menschen eine große Freude bereiten werden. Sie hoffen nämlich, dass sich ihre geheimsten Wünsche erfüllen, an die sie in jenem Moment denken“, nickte Sankt Nikolaus und erklärte die Konferenz für beendet.

Bald darauf leuchteten so viele Sternschnuppen wie niemals zuvor am nächtlichen Himmel.
Neugierig beobachteten die fünf Weihnachtsengel Erdenkinder in allen Kontinenten beim Wünschen.
„Sieh mal, wie der kleine Max in Europa die Augen zusammenkneift, um sich auf seinen Wunsch zu konzentrieren!“, grinste Rubi und knuffte Brie freundschaftlich in die Seite.
„Indira faltet sogar ihre Hände vor dem Gesicht! Machen das die Asiaten immer so?“, ahmte er sie nach.
„Ich glaub' mich tritt ein Rentier, Jack hat extra seinen Kaugummi ausgespuckt, obwohl er Amerikaner ist!“ Raffi schätzte Kaugummis selbst über alle Maßen.
„Afryea fängt so schön zu tanzen an! Ich glaube, in Afrika tanzen sie alle!“ Micki begann sofort, sich ebenfalls zu drehen.
„Wie liebevoll Joshua auf der Farm in Australien sein Lämmchen im Arm hält. Hoffentlich drückt er es beim Wünschen nicht zu fest!“, sorgte sich Fini, die Tiere so mochte und am liebsten Tierärztin geworden wäre.
Plötzlich wurde sie sehr ernst. „Ist euch eigentlich klar, dass wir jetzt noch mehr Wünsche zu erfüllen haben als früher? Wegen dieser großen Menge an Weltraummüll, den die Roboter entsorgen, erzeugen sie nämlich wesentlich mehr Sternschnuppen! Die Wichtel in der Werkstatt werden ziemlich stöhnen. Sie sind jetzt schon völlig ausgelastet. Und erst die armen Rentiere, die den schweren Schlitten ziehen müssen!“
„Dadadaran habe ich überhaupt nicht gedacht!“, stotterte Raffi erschrocken.
„Wie sollen wir das denn alles schaffen, so kurz vor Weihnachten?“ Der empfindsamen Micki schossen prompt Tränen in die Augen.
„Ich schlage vor, dass wir schleunigst mit Sankt Nikolaus darüber reden!“
Rubi machte entschlossen auf dem Absatz kehrt und schwebte zum Büro des Weihnachtsmanns.
„Hm, die Lage ist ernster als ich vorhersehen konnte.“, räusperte sich dieser verlegen, als er von dem neuen Problem erfuhr. „Ich werde mich sofort mit dem Weisen Wilhelm beraten. Schick ihn bitte gleich zu mir!“
Dieser nickte bedächtig, strich sich nachdenklich über den langen Bart, rückte seine Wichtelmütze zurecht und sagte nach einer gefühlten Ewigkeit: „Das Problem ist nur mittels Computer zu lösen, natürlich mit Internetanschluss. Ich denke, dass uns Carlo Compi und der Quirlige Quirin weiterhelfen können.“
Unverzüglich machte sich der erfahrene Wichtel mit den fünf Weihnachtsengeln auf den Weg in das Computerzentrum, das sich zwischen der klassischen Himmelswerkstatt und der modernen Produktionshalle befand. Da es rundum verglaste Wände hatte, war es leicht zu erkennen. Hier war es angenehm leise, obwohl überall lebhafte Geschäftigkeit herrschte. Carlo Compi und der Quirlige Quirin staunten nicht schlecht über den Besuch.
„Na, was hat euch denn hierher verschlagen? Habt ihr euch etwa verflogen?“, frotzelten sie die Engel und den Wichtel. Als diese ihnen jedoch berichteten, wie schwierig es sei, die unzähligen Sternschnuppenwünsche zu erfüllen, die sich seit der Weltraummüll-Entsorgung vervielfacht hatten, wurden ihre Mienen schlagartig ernst.
„Puh, das ist wirklich heftig“, nickten sie mitfühlend. „Vermutlich können wir euch gar nicht so unterstützen, wie ihr euch das vorstellt. Natürlich nutzen wir seit etlichen Jahren das Internet, was ihr eigentlich wissen könntet, wenn ihr endlich einmal an den Fortbildungsseminaren teilnehmen würdet. Bei Sternschnuppenwünschen funktioniert das allerdings nicht, weil es die geheimsten Wünsche sind, die es gibt. Sie werden direkt aus den Herzen der Kinder zu uns nach oben übertragen. Keiner von uns weiß, wie das geht.
Übers Internet lassen sie sich schon gar nicht erfüllen. Endlich verstehe ich, warum sich die Wünsche seit kurzem auf unseren Schreibtischen so hoch stapeln. Ich will sehen, was ich tun kann, allerdings weiß ich bald selbst nicht mehr, wo mir der Kopf steht.“ Carlo Compi war sichtlich nervös.
In diesem Moment wurde die Bürotür aufgerissen und ein kleiner Wichtel stürzte atemlos herein: „Carlo, Quirin, ihr müsst sofort in die große Halle nach nebenan kommen, da ist gerade ein ziemliches Chaos!“
„Bin schon dort!“, nickte der Quirlige Quirin und sauste nach einem Senkrechtstart blitzschnell über die Köpfe der verdutzten Besucher hinweg. Auch Carlo Compi verließ, eine Entschuldigung murmelnd, sein Büro.
„Was machen wir denn jetzt?“, jammerte Micki. Raffi schlug nach kurzer Überlegung vor, den anderen zu folgen und ihnen ihre Hilfe anzubieten.
„Gute Idee! Ich bin sowieso neugierig auf das Chaos“, lächelte Rubi verschmitzt.

In der Produktionshalle ging es laut und betriebsam zu. Die Weihnachtswichtel arbeiteten mit voller Konzentration an ihren Maschinen und achteten nicht auf die eintretenden Besucher. Am anderen Ende des Raumes hörte man lautes Schimpfen: „He, was soll das denn? Hier laufen plötzlich rote Rennautos mit Puppenbeinen vom Band anstelle der Räder – noch dazu mit rosa Stöckelschuhen!“
„Na, das ist doch mal was: High Heels statt Hot Wheels!“, prustete Brie los und Raffi verschluckte sich vor Lachen fast an seinem Kaugummi. „Ich möchte zu gerne sehen, wie die auf der Rennstrecke herum staksen!“ Während Micki noch rätselte, wo die zugehörigen Räder geblieben waren, ertönte prompt der nächste Aufschrei: „Meine Plüschelefanten haben keine Rüssel sondern Autoräder zwischen den Stoßzähnen!“ Wo mochten bloß die Rüssel stecken? Carlo Compi befürchtete eine Lawine von falsch zusammen gesteckten Spielsachen und forderte deshalb den Quirligen Quirin auf, mit dem Diagnoselaptop zu jeder einzelnen Maschine zu fliegen, um die Fehlerursache zu finden. Es galt schließlich, Schlimmeres zu verhindern. Der Spezialist führte die Überprüfung mit gewohnter Schnelligkeit durch, konnte aber keinen Fehler entdecken. Auch der zweite Test brachte kein anderes Ergebnis. Als der Quirlige Quirin schon an sich selbst zweifelte, fielen ihm in der Ecke zwei kleine Wichtel auf, die überaus vergnügt Karten spielten.
„Sagt mal, seid ihr nicht für die Rennautos zuständig?“ Willi und Wolli bekamen knallrote Köpfe, als sie ertappt wurden. „Äh, ja, wieso?“ „Weil eure Rennautos Beine statt Räder haben, noch dazu mit rosa Schuhen“, rügte er sie streng. „Oh!“, räusperten sich die Übeltäter und liefen dunkelrot an, „da haben wir offensichtlich die falsche Zubehörkiste erwischt und in den Container geleert!“ „Das glaub ich jetzt nicht“, schimpfte Carlo Compi laut, „als ob wir nicht auch so genug Arbeit hätten! Jetzt seht zu, wie ihr das wieder in Ordnung bringt, ehe hier alles im Chaos versinkt!“ Kopfschüttelnd stapfte er in sein Büro und knallte die Tür hinter sich zu.
Die beiden Wichtel schluchzten herzzerreißend, als ihnen das Ausmaß des Durcheinanders bewusst wurde, das sie durch ihre Unachtsamkeit verursacht hatten. „Dabei wollten wir doch nur kurz das neue Spiel ausprobieren!“
Der Weise Wilhelm, dem der Kummer der Kleinen zu Herzen ging, legte tröstend seine Arme um ihre Schultern, ermahnte sie aber, künftig Arbeit und Freizeitspaß strikt zu trennen.
„Wir helfen euch beim Sortieren und Reparieren“, versprachen die fünf Weihnachtsengel.
„Ihr werdet staunen, wie gut das mit unseren Stella Spezialsprays geht“. Zunächst zog Brie aus seiner Gürteltasche eine blaue Sprühdose mit Silbersternen. „Hiermit lösen wir die falsch zusammengesteckten Teile“, danach holte er eine weitere blaue Dose, diesmal mit Goldsternen, hervor. „Damit kleben wir die Teile an der richtigen Stelle fest.“ Da versiegten die Tränen endlich. Wichtel und Engel machten sich gemeinschaftlich ans Werk.
Zufrieden verließ der Weise Wilhelm die Gruppe und suchte Carlo Compi auf, der missmutig in die Tasten seines Mac-Star Computers hämmerte.
„Gib mir doch einen Stapel Sternschnuppenwünsche mit. In meiner Werkstatt geht es ruhiger zu als in der Produktionshalle. Sollte es Probleme geben, wende ich mich an den Chef.“ Erleichtert und dankbar nahm Carlo das Angebot an.

In der Zwischenzeit besuchte der Weihnachtsmann den Sportlichen Sigurd und die Rentiere auf der Himmelsweide. Er teilte ihnen das Ergebnis der Konferenz mit, dass es keine Schutzanzüge für sie gäbe und das Training somit wieder erträglicher würde. Die Tiere freuten sich sehr darüber und atmeten erleichtert auf. Dann sah Sankt Nikolaus nach den beiden Patienten. Rudolph hatte bereits wieder seine bekannte rote Nase. Hildegard mit den Heilenden Händen war gerade dabei, den Spezialwickel an Comets verletzten Knöchel zu erneuern. „Das Gelenk heilt gut, ich bin zufrieden“, meinte sie und tätschelte das Rentier. „Allerdings geht mir allmählich das Verbandszeug aus. Ich benötige dringend Wolkenwatte und Wolkengazebinden. Bisher hat sich Serafina immer darum gekümmert und die Wolkenschafe geschoren. Wo steckt sie nur in der letzten Zeit?“, fragte sie unwirsch. Sie war die Einzige im Weihnachtsland, die die Engel bei ihrem richtigen Namen nannte. „Fini und die anderen haben wegen der großen Zahl an Sternschnuppen sehr viele Wünsche zu erfüllen“, besänftigte sie der Weihnachtsmann.
„Aber Cherubina, Michaela, Gabriel und Raphael könnten mir wenigstens Glitzernden Sternenstaub liefern!“ entgegnete sie verständnislos.
„Ich möchte mal wissen, wofür du den immer brauchst“, brummte Sankt Nikolaus leise in seinen Bart. „Wart's ab!“, lächelte Hildegard, die seine Bemerkung sehr wohl gehört hatte, gleichermaßen nachsichtig und geheimnisvoll.

Nachdenklich kehrte Sankt Nikolaus in sein Büro zurück. Dort hatte der HPS-Bote (vom Himmlischen Post Service) jede Menge Postsäcke ausgeliefert und nach den Adressaten „Christkind“ und „Weihnachtsmann“ vorsortiert. Seufzend vertiefte er sich in die an ihn gerichteten Briefe der Kinder aus aller Welt. Da flog die Tür auf und die Weihnachtsengel stürmten gutgelaunt herein. „'Tschuldigung, dass wir nicht angeklopft haben, aber wir wollten dir nur schnell sagen, dass wir in der Produktionshalle fertig sind und alles wieder bestens läuft!“ Daraufhin erhellte sich seine Miene.
„Sehr gut, denn ich habe neue Aufgaben für euch. Micki, du wirst dem Christkind die Briefe vorlesen, damit es dir seine Antworten an die Kinder diktieren kann. Brie und Raffi, ihr sammelt Glitzerstaub für Hildegard mit den Heilenden Händen. Fini und Rubi, ihr müsst dringend die Wolkenschafe scheren, damit endlich wieder genügend Verbandszeug hergestellt werden kann.“ Die Engel schwebten davon und Sankt Nikolaus wandte sich erneut seiner Post zu.

Der Weise Wilhelm stellte bald fest, dass sich Sternschnuppenwünsche deutlich von den üblichen Spielzeugwünschen unterschieden. Der kleine Max wünschte sich, dass sich seine Eltern nicht scheiden ließen. Indira sehnte sich so sehr nach ihrer Schwester, die seit der großen Flut vermisst wurde. Jack wünschte sich, dass sein Daddy nach dem schlimmen Autounfall wieder gesund würde. Afryea hoffte inständig auf Regen, damit das Vieh nicht mehr verdurstete. Joshuas innigster Wunsch war es, stark genug zu sein, um sich und Mama vor Papa zu schützen, wenn er sie betrunken verprügelte. Das war viel
schwieriger zu erfüllen als eine Beinprothese für den kleinen Jungen anzufertigen, der auf eine Mine getreten war. Dabei hatte ihm Wichtel Wunibald, Leiter der klassischen Himmelswerkstatt weitergeholfen. Aber nun musste er sich mit dem Weihnachtsmann beraten.
„Vielleicht hat Hildegard mit den Heilenden Händen ein passendes Seelentrostpflaster“, überlegte Sankt Nikolaus und ließ Hildegard eilends herbeirufen. „Jetzt wisst ihr, wofür ich den Glitzerstaub benötige“, sagte die weise Frau, die schon so viel Schlimmes auf der Welt gesehen hatte, bedächtig und sah die beiden aus gütigen Augen an. „Den gebe ich den Sternenkindern mit, die ihren Erdenkindern tröstliche Träume bringen, wenn sonst keine Hilfe möglich ist. Manchmal lege ich noch ein silbernes Engelshaar dazu, damit die Ärmsten wissen, dass sie nicht ganz verlassen sind, sondern dass noch jemand im Himmel an sie denkt. Das habe ich mit dem Christkind so vereinbart.“ Diese Worte rührten die beiden alten Herren so sehr, dass ihre Augen schimmerten und sie sich dringend ihre Nasen putzen mussten.

Die Zeit bis Weihnachten verging den Engeln und Wichteln rasend schnell. Es gab ja auch so vieles zu erledigen. „Habt ihr das Schnarchen aus dem Kinderbuch endlich wegbekommen?“, fragte Fini die beiden Wichtel Willi und Wolli. „Nö, wir haben ein Hörbuch daraus gemacht“, glucksten sie vergnügt und waren stolz auf ihren guten Einfall. „Was ist mit dem verrückten Roboter?“, erkundigte sich Raffi. „Keine Sorge, der sucht jetzt Socken und sammelt Spielsachen ein. Außerdem kann er Staub wischen“, beruhigten ihn die beiden. „Aber der Fußball! Wie habt ihr den repariert?“, wollte Brie wissen. „Ach, das war eine der leichtesten Übungen. Jemand hatte ihm versehentlich den Chip mit der Leuchtschrift eingesetzt. Den mussten wir nur entfernen. Jetzt lässt er sich ganz normal ins Tor treten“, versicherten die Wichtel treuherzig.

Bald darauf klingelte das Telefon im Büro des Weihnachtsmanns. Der Sportliche Sigurd teilte ihm mit, dass der Schlitten mit den Geschenkpaketen voll beladen bereit stünde und die Rentiere bereits eingespannt seien. Er empfahl ihm, umgehend zu starten, weil der Sternenwind momentan günstig wehte, was für die Rentiere eine enorme Kraftersparnis bedeutete. So erreichten sie problemlos jene Öffnung in der Atmosphäre, durch die sie gefahrlos zur Erde fliegen könnten, ohne selbst zu verglühen. Sankt Nikolaus dankte ihm für seinen Rat und kletterte alsbald auf den Kutschbock. Mit hellem Glöckchenklang fuhr er in hohem Bogen davon. Sämtliche Engel und Wichtel winkten ihm zum Abschied. Dann feierten sie gemeinsam im großen Festsaal und ließen sich Himmelstee, Plätzchen, Lebkuchen und Schokoladensterne schmecken.
Auf der Erde warteten schon die Kinder, schauten und lauschten hoffnungsvoll in die Nacht.
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