Das Regenblümchen

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heidi
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Registriert: Montag 13. Dezember 2010, 23:27

Das Regenblümchen

Beitrag von heidi »

Mariechen war ein aufgewecktes Kind, ein Trotzkopf und ein richtiger Wirbelwind. Puppen? Nein, das war nichts für das schwarzhaarige Mädchen.
Kein Baum war zu hoch, kein Graben zu breit und keine Mutprobe zu schwierig.
Heile, heile Segen …, das brauchte der Wildfang nicht.
Von klein an hatte es geheißen: Beiß auf die Zähne.
Trotzdem betete Marie jeden Abend zum lieben Gott, damit er Vati, Mutti und Omi beschützen möge.
Auch die Natur liebte das Kind – die Tiere und Blumen.

Klar, dass das eigensinnige Mädchen nicht immer hören wollte.
Beim Haus blühten kleine hellblaue Blütchen. Manchmal hatten sie weiße Flecken, ein anderes Mal waren sie dunkleren Farbtons.
Mädchen pflücken gerne Blumen. Manchmal einfach so, weil es Spaß macht, manchmal um sie der Mama zu schenken.
Aber Omi meinte: „Lass sie stehen, es sind Regenblümchen!“
Große erstaunte Kinderaugen blickten die alte weise Frau ungläubig an. Dann blitzte der Schalk in den Mundwinkeln des Kindes und Mariechens Hände griffen begehrlich nach den Blüten.
Großmutters erhobener Zeigefinder wurde ignoriert.
Pah … die paar Blumen machen doch nichts, schoss es trotzig durch das Lockenköpfchen. Der Blick zum Himmel zeigte ihn strahlend blau. Die Sonne schien freundlich auf das Menschenkind und nicht eine einzige Wolke war zu sehen.
Als Peter, der kleine Freund rief, lagen die Blumen verdurstend im Gras.

Am Abend hatte Mariechen den Vorfall längst vergessen. Kaum lag das Kind im Bett, fing es zu donnern an. Grelle Blitze erhellten das Kinderzimmer und das Krachen hinterher klang bedrohlich. Der Regen prasselte hernieder und wurde von der trockenen Erde gierig aufgesogen. Kleinlaut und mit schlechtem Gewissen sprach Mariechen das Nachtgebet und kroch unter die Bettdecke.

Ein paar Tage später das gleiche Spiel. Gierige Fingerchen fassten nach den kleinen blauen Blüten. Vorsorglich trug das Mädchen den Strauß ins Haus und stellte ihn in eine Vase.
Wieder hatte Omi gemahnt und wieder strafte der Himmel. In der Nacht prasselte der Regen erneut auf die Erde und in den nächsten Tag konnten die Kinder nicht im Freien spielen. Schuldbewusst stand Mariechen am Fenster und schaute sich die Bescherung an.

Nachdem auch nach dem dritten Versuch mit nur einem einzigen Blütchen ein heftiges Gewitter tobte, schlich das Kind in Zukunft nur noch um die Pflanzen herum.
Es juckte wohl in den Fingern, aber …

Als Marie dann schon groß und selbst Mutter war, warnte sie ihre Kinder ebenfalls vor den blauen Blümchen, obwohl sie mittlerweile wusste, dass es Unsinn ist.

Heidi Gotti
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