Sommergewitter

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KitteeyKat
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Registriert: Montag 12. August 2013, 14:05

Sommergewitter

Beitrag von KitteeyKat »

Du bist doch nur ein Angsthase.“, lachte Tommy mit verschränkten Armen vor der Brust. Seine kleine Schwester saß vor ihm in der Hocke und kämpfte mit den Tränen. „Bin ich nicht“, schrie Klara ihren Bruder an. Stimmte doch, oder? Nur weil man sich nicht von einem Baumstamm in den See springen traute, war man doch noch lange kein Angsthase. Wütend wischte sich der Rotschopf die Tränen weg, sprang auf und rannte zurück ins Haus ihrer Großeltern. Dort saßen Oma, Opa und Mama gerade bei Kaffee und Kuchen und merkten gar nicht das das kleine Mädchen traurig die Treppen hinauf lief, schließlich war es normal, dass man hier lautes Getrampel hörte. In ihrem Zimmer lies sich Klara auf ihr Bett plumpsen. Tommy ist eben einfach doof, dachte sie bei sich. Früher war er das nicht gewesen. Früher hatte sie ihn sehr gemocht. Früher waren sie ein Herz und eine Seele und haben alles miteinander gemacht. Aber früher war Tommy auch noch nicht im Gymnasium. Klara war erst in der zweiten Klasse und seit ihr großer Bruder in der fünften Klasse war, schien er sich nicht mehr für seine kleine Schwester zu interessieren. Natürlich gab es auch vorher schon hier und da ein paar Streitereien, aber die waren nie ernst und dauerten auch selten länger als ein paar Minuten. Mittlerweile wollte Klara aber schon gar nicht mehr mit Tommy spielen. Egal was sie zusammen machten, immer fand ihr Bruder eine Möglichkeit um zu zeigen, dass er der Große war, dass er besser war, dass er seiner kleinen Schwester einfach überlegen war. Manchmal war das auch gar nicht so schlimm, aber wenn er sie auslachte und vielleicht sogar beleidigend wurde, fand Klara das gar nicht mehr lustig. So oft schimpfte er sie mittlerweile Baby, Angsthase und Mamakind. Klara vermisste es mit ihrem Bruder gemeinsam etwas zu unternehmen und sie verstand auch gar nicht wieso er auf einmal so war. Bestimmt war das diese doofe Schule. Da waren nur große Kinder.

Nachdem Klara sich etwas beruhigt hatte spielte sie mit ihren Puppen. Die hatte sie immer dabei, wenn sie bei Oma zu Besuch war. Dort waren sie jeden Sommer mindestens zwei Wochen. Nur allein mit Mama. Papa musste nämlich arbeiten. Aber das war eben nicht so schlimm, wenn die Puppen dabei waren. Die eine hatte ein wunderhübsches rosanes Kleid und die andere eines in hellem Grün und sogar einen reizenden Hut dazu. Die beiden Puppen machten gerade ein Kaffeekränzchen. Danach gingen sie auf eine Blumenwiese. Klara war ganz in ihr Spiel vertieft, als plötzlich Tommy, der wohl genug vom See hatte, herein platzte und sich auf einen Stuhl fallen lies. „Was machst du gerade?“, fragte er. Ihm war bestimmt nur wieder langweilig. Misstrauisch sah Klara ihn an. „Siehst du doch“, sagte sie grimmig. Tommy legte den Kopf schief. „Ja spielst mal wieder mit den dämlichen Puppen. Die sind ja nicht einmal echt und können gar nichts.“, meinte er herablassend. Klara sagte einfach nichts, so wie es ihre Mama mal geraten hatte. „Tommy kommt eben langsam in die Pubertät.“, hatte sie gemeint. Das kleine Mädchen hatte das schwierige Wort „Pubertät“ zwar nicht verstanden, aber an den Rat versuchte sie sich wenigstens zu halten. Das schien Tommy aber nur wütend zu machen. „Du bist so ein Puppenbaby weißt du das? Nur kleine Babys spielen noch mit Puppen. Du bist ja noch nichtmal ein Schulkind! Keines der Mädchen in meiner Klasse spielen noch mit so ollen Dingern“, endete er und schlug der einen Puppe ihren grünen Hut vom Kopf „Hör auf Tommy“ schrie Klara ihn an und setzte ihrem Püppchen schnell wieder ihre Kopfbedeckung auf. Sie hasste es wenn Tommy das tat. Der lachte aber nur stand auf und ging. Das kleine Mädchen verdrückte sich ein paar Tränen, als sie ihren Opa von unten rufen hörte. Es gab Abendbrot.

Beim Abendbrot suchte sich das kleine Mädchen den Platz aus der möglichst weit weg war von ihrem Bruder. So konnte er sie nicht so dolle ärgern. Hoffte sie. Und tatsächlich beim Essen blieb es still. Tommy war ganz auf die Würstchen und den Kartoffelstampf fixiert, den die Oma gemacht hatte. Die Erwachsenen waren in ein Gespräch vertieft. Klara hörte nicht wirklich zu, das was die Erwachsenen redeten war so wie so immer total langweilig. Erst als sie etwas von den Nachbaren heraus hörte, die heute Abend einen Weinabend machten schaute sie auf. „Wie? Seit ihr dann nicht hier? Sind wir dann allein?“, fragte sie ihre Mama. Die lächelte sanft und legte ihr eine Hanf an die Wange „Keine Sorge ich bring euch noch ins Bett und bleibe bis ihr eingeschlafen seit in Ordnung? Außerdem ist Tommy doch schon elf er passt auf dich auf. Und wenn wirklich etwas ist weißt du doch wo die Heinrichs wohnen. Nur einmal über die Straße. Das Telefon leg ich euch auch ins Zimmer. Wir bleiben auch nicht lange und ich verspreche dir ich schau jede Stunde einmal vorbei.“ Es war nichts außergewöhnliches, dass ihre Eltern am Abend bei Nachbarn waren. Aber seit Tommy so gemein war, mochte Klara das überhaupt nicht, aber ihre Mama hatte ja recht. Sie kannte die Heinrichs gut. Sogar die Telefonnummer konnte sie schon auswendig, worauf sie sehr stolz war. Zaghaft nickte sie also. „Aber dann musst du mir noch eine Geschichte vorlesen ok?“ sagte sie grinsend. „Man du bist echt ein riesen Mamakind“, sagte Tommy, wofür er aber sofort einen strengen Blick von Großmutter und Mama erntete.

Als die Erwachsenen fort waren, schliefen Klara und Tommy eigentlich schon, aber plötzlich hörten die Geschwister ein lautes Krachen. Beide saßen sofort hell wach im Bett. „Was war das?“, flüsterte Tommy „Na ein Gewitter. Was sonst?“, sagte Klara als wäre es nichts. Für sie war das auch nicht schlimm, denn seit sie klein war hatte sie sich die Blitze immer gern angesehen. Zwar erschrak auch sie manchmal wenn es Donnerte, aber Angst machte er ihr nicht. Ihr Papa hatte ihr nämlich sehr oft erklärt, dass das Haus gesichert war mit einem Blitzableiter. Den hatte er ihr sogar gezeigt. Seit dem wusste sie, dass sie den Blitzen bei ihren Tänzen durch den Himmel beruhigt zuschauen konnte. Tommy schien das aber nicht zu wissen, denn beim nächsten Grollen zog er sich die Decke über den Kopf. Na wer ist jetzt das Baby, dachte sich Klara. Sie war aber nicht so gemein wie ihr Bruder und behielt ihre Gedanken für sich. „Denkst du Mama kommt bald?“, fragte er seine kleine Schwester „Ich weiß nicht.“, antwortete Klara. „Vielleicht sollten wir besser rüber zu den Heinrichs.“, schlug Tommy vor „Nein! Dann werden wir nass und draußen beschützt uns der Blitzableiter doch nicht.“, warf Klara ein. Tommy schien leicht zu zittern und knipste schließlich seine Nachtischlampe an. „Sag bloß du hast angst vor so einem harmlosen Gewitter.“, sagte Klara. „Natürlich nicht!“, schnaubte Tommy, doch beim nächsten Donnerschlag, quietschte er vor Schreck sogar. Seine kleine Schwester verkniff sich darauf ein Kichern. „Soll ich Mama anrufen?“ fragte das kleine Mädchen ihren Bruder. Der zögerte erst und nickte schließlich leicht „Ich weiß die Nummer aber nicht“, stammelte er. Klara hatte jedoch längst zum Telefon gegriffen, das ihre Mutter wie versprochen in ihr Zimmer gelegt hatte und wählte die Nummer. Tommy sagte dazu nichts und sah seiner Schwester zu. Nachdem Klara aufgelegt hatte sah sie zu ihrem großen Bruder hinüber „Und?“, fragte er. „Mama hat gesagt ich soll dich fragen ob du derweil mit mir ins große Bett rüber möchtest. Sie trinkt nur noch aus und ist dann gleich bei uns.“ Wieder zögerte der sonst so erwachsene Tommy, ehe er nickte.

Gemeinsam schlichen sich die beiden hinüber und schlüpften schnell unter die warme Decke. Das Gewitter war mittlerweile auch nicht mehr so schlimm und schien weiter zu ziehen. Trotzdem zog Tommy sich die Decke bis zur Nase. Wenig später hörten sie unten die Haustüre. Das war sicher die Mama. „Klara?“ flüsterte Tommy leise „Du bist eigentlich doch gar kein so großes Baby.“ Klara lächelte und war sich sicher, dass Tommy sie jetzt nicht mehr so oft ärgern würde. Wenig später waren beide aneinander gekuschelt eingeschlafen. Genau so wie früher.
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