Ein Streich

Geschichten aus dem Leben, Märchen, Fabeln
Antworten
Benutzeravatar
Stiekel
Eifriger Schreiber
Eifriger Schreiber
Beiträge: 1051
Registriert: Dienstag 11. Januar 2011, 19:43
Kontaktdaten:

Ein Streich

Beitrag von Stiekel »



Ich hatte das Glück, in einer kinderreichen Nachbarschaft zu wohnen und es mangelte uns nicht an Spielkameraden. Das Kleeblatt waren Udo, Jens und Tinka, die ungefähr im gleichen Alter waren und alles gemeinsam machten. Sie waren inzwischen in der siebten und achten Klasse der Hauptschule. Es war schwer, zwischen ihnen einen Platz zu ergattern. Das konnte nur der Olli aus dem Nachbarort, der schon als Baby viel bei seiner Oma war und deshalb Sonderrechte besaß. In den Ferien dann gab es eben das vierblättrige Kleeblatt. Dieses Vierergespann hatte sich im Wald des Truppenübungsplatzes eine Hütte gebaut. Dort wurde alles besprochen, was man zu Hause lieber ungesagt ließ und sie hatten viel Spaß zusammen. Auch wurden hier im Wald Abenteuer bestanden und abgeschossene Patronen der Übungsmunition gesammelt. Als Nahrung dienten zurückgelassene Verpflegungspäckchen aus den Bunkern. Es war das reinste Paradies, wenn da nicht die lästigen Nachbarsjungen Holli ( das bin ich) und Tommy wären, mit ihren 9 und 11 Jahren. Sie wollten unbedingt zur Gang gehören, was natürlich ausgeschlossen war. Was bildeten sich diese KINDER nur ein? Die hielten doch ihren Mund nicht, wenn in der Bude geraucht wurde, diese Petzen. Außerdem waren die Gespräche nicht für ihre Ohren gedacht. Und Tinkas Anschauungsunterricht, was das weibliche Geschlecht anging, musste auf alle Fälle vor ihren Augen verborgen bleiben. So dachten sich die Vier ständig neue Schikanen aus, um die Eindringlinge zu vertreiben, was nicht selten in Handgreiflichkeiten und derben Drohungen ausartete.

Doch Tommy und ich waren auch nicht auf den Kopf gefallen. Wir wollten dem Kleeblatt beweisen, dass wir mehr auf dem Kasten hatten, als sie ahnten. Eines Tages machten wir auf unserem Streifzug durch den Wald eine Entdeckung, die uns die Tränen in die Augen trieb. Wir schauten uns an, rieben die Hände und hatten den genialsten aller Einfälle überhaupt.

Tommys Mutter hatte Tags zuvor Geburtstag gefeiert und davon war noch eine große Aluplatte, auf der Fisch serviert worden war, im Abfall.
Die holten wir uns. Dazu noch Salat und Möhren aus dem Garten. Obst brauchten wir auch noch, es sollte doch alles appetitlich aussehen. „Petersilie“, krähte ich vor Vergnügen, “Petersilie ist auf jeder vernünftigen Schlemmerplatte mit dabei!“

Als wir alles kunstvoll angerichtet hatten, machten wir uns auf den Weg
zu der begehrten Hütte. Dort drapierten wir unseren Fund in die Mitte der Aluplatte. Wir waren peinlichst darauf bedacht nicht von Tinka, Olli, Jens und Udo entdeckt zu werden, denn es sollte ja eine ganz freudige Überraschung werden. Das Glück war uns hold, denn die Bude war leer. Vorsichtig öffneten wir den Bretterverschlag, der als Tür diente und präsentierten unsere edle Gabe auf dem Holzklotz, der den Vieren als Tisch diente. Danach versteckten wir uns in der Nähe und warteten ab.

Durch lautes Geschrei, husten und würgen wurden wir aufgeschreckt, denn wir waren beide eingeschlafen. Tinka war ganz grün im Gesicht und hielt sich voller Abscheu die Nase zu. „Na wartet, Bürschchen, wenn wir euch in die Finger kriegen, dann könnt ihr was erleben!“, schrie Jens...

Nun, in ihre Gang wurden wir niemals aufgenommen, doch nahmen wir es gelassen. Unser Plan war aufgegangen. Denn niemand verspeist gerne schön angerichtet zwischen Obst, Möhren und Salat, mit Petersilie garniert, einen total stinkenden, vergammelten Igel.

© Sabine Brauerr
Zuletzt geändert von Stiekel am Samstag 12. März 2016, 13:28, insgesamt 1-mal geändert.
Bild

Nur wer sich selber liebt ist fähig,
auch andere zu lieben.
Lena
Eifriger Schreiber
Eifriger Schreiber
Beiträge: 280
Registriert: Freitag 23. Dezember 2011, 21:53
Wohnort: Bayern

Re: Ein Streich

Beitrag von Lena »

Hahaha, du hast mir jetzt einen lauten Lacher entlockt. Spannend geschrieben, die Überraschung am Schluss ist perfekt. Bin nicht auf Igel gekommen *daumenhoch*
LG Lena
Das höchste Gut ist die Harmonie der Seele mit sich selbst.
Seneca
Benutzeravatar
Stiekel
Eifriger Schreiber
Eifriger Schreiber
Beiträge: 1051
Registriert: Dienstag 11. Januar 2011, 19:43
Kontaktdaten:

Re: Ein Streich

Beitrag von Stiekel »

Hallo Lena,

diese Geschichte hat sich vor ca. 30 Jahren ungefähr so zugetragen.
Ein Jugendstreich meines Sohnes.

LG Sabine
Bild

Nur wer sich selber liebt ist fähig,
auch andere zu lieben.
Antworten