DIE KLEINE LADY

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gerhard
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DIE KLEINE LADY

Beitrag von gerhard »

Eines sehr schönen Tages gehen die schöne Lucille Ernest und der große, stattliche Anwalt Moritz von Havenegg im
Schloßpark des Schlosses Liebenfels zu Arlingen spazieren:

Lucille ist eine große und schlanke Frau Anfang Dreissig, trägt ihr braunes, gewelltes Haar aufgesteckt und hat sehr schöne,
ausdrucksvolle Augen, von denen das eine (links)übrigens grün und das andre braun ist.
Sie hat ein breitflächiges, ebenmässiges Gesicht und einen großen, sinnlichen Mund.(für Kinder erklärt: Ihr Mund ist
sehr empfindsam - und darum ist`s für Lucille sehr schön, geküsst zu werden - und für diejenigen, die von ihr geküsst
werden, auch)

Moritz, wie sie den Mann an ihrer Seite längst nennt, ist groß und schlank, hat dunkle Haare und ein stolzes, feingeschnittenes
Gesicht mit dunkelbraunen Augen und einem gepflegten Schnurrbart. Herr von Havenegg ist Mitte Vierzig und sieht sehr gut
und wesentlich jünger aus - und vertritt seit gut 20 Jahren als Rechtsanwalt die Anliegen derer von Liebenfels zu Arlingen.

Es war eine SEHR große Überraschung für Lucille, als der vornehme Anwalt in ihrem kleinen Haus in New York auftauchte -
und ihr mitteilte, dass ihre 9jährige Tochter Emily (inzwischen Comtesse Emily Lucille Ernest von Liebenfels zu Arlingen)
die Erbin einer Gräfin im Österreich von Kaiser Franz Joseph sei.

Das fröhliche, sehr entschlossene und zugleich sehr liebevolle Mädchen, ein sehr hübsches Kind mit langen blonden Haaren,
blauen Augen und vollen roten Lippen, schaffte es nach und nach, das Herz ihrer Großmutter, der Gräfin, zu gewinnen.
Und das, obwohl sich die vornehme alte Dame zuerst ziemlich abweisend verhielt - und vor allem mit Emilys angebeteter
Mama, für die Gräfin eine "geldgierige Amerikanerin mit schlechtem Benehmen", nichts zu tun haben wollte!

Und dabei ist Lucille, ebenso wie ihre beste Freundin, die rothaarige Gemischtwarenhändlerin (aber zuvor gefeierte
Sängerin und Sopranistin (mit einer wundervollen(eben Sopran)Stimme ausgestattet)Dolores Hobbs (gab`s
da nicht mal in "irgend einem" Kinderbuch einen "brummigen" Gemischtwarenhändler namens Mr.Silas Hobbs?),
eine sehr überzeugte Frauenrechtlerin - UND eine sehr liebevolle, natürliche Freundlichkeit und Warmherzigkeit
ausstrahlende Frau von ebenso natürlich gutem Benehmen! (Dolores legt zwar an sich auf gutes Benehmen Wert,
kann aber, weil sie SEHR entschlossen ist, manchmal aufs "gute Benehmen vergessen")

Inzwischen hat Lucille ihrem nunmehrigen Liebsten schon viel über ihr Leben in New York erzählt:

"Du weisst ja, dass die Statue der Lady Liberty auf die Freiheit und ihre Bedeutung aufmerksam macht. Dass auf Ellis
Island Einwanderer ankommen - in der Hoffnung auf ein besseres Leben! Dass die Insel Manhattan einst den Indianern
"abgekauft" wurde. Und wohl auch, wie es den immer weniger werdenden Indianern, denen einst ganz Amerika
gehörte, HEUTE ergeht!

Unsere Stadt, in deren Herzen sich ein grünes Paradies, der Zentralpark ausbreitet,
wird zu Recht "Schmelztiegel" genannt! Bei uns gibt es sooo viele unterschiedliche Gemeinschaften: da Iren,
dort Italiener, in deren Viertel du dich wie in Italien fühlen würdest, mit viel Lärm, mit viel Gesang, mit Wäscheleinen!
Russen und andere Menschen aus Osteuropa!
Die Chinesen nicht zu vergessen!

Juden, Christen, alles "durcheinander" - und nebeneinander! Und natürlich die Nachkommen der schwarzen
Sklaven! Und all diese Menschen, Arm und Reich nebeneinander, wünschen sich ein besseres Leben! Und so unterschiedlich
sie sein mögen, sind sie doch - in unserer "Stadt, die nie schläft", EINE grosse Gemeinschaft: Unser New York, unsere
gemeinsame und besondere Heimat!"

Herr von Havenegg/Moritz zieht die schöne Lucille an sich und gibt ihr einen laaaangen Kuss auf den schönen Mund!

"Du bist wirklich eine ganz besondere Frau, Lucille! Ich kann verstehen, dass deine entzückende Tochter "Liebste" zu dir sagt
- und diesen Ausdruck auch verwendet, wenn sie anderen gegenüber von dir spricht. Obwohl ich zuvor noch nie erlebt habe,
dass ein Mädchen für ihre Mutter so einen Ausdruck verwendet!"

"Ich weiss, Moritz! Du bist übrigens ein ganz besonderer Mann! Zugleich sehr entschlossen und selbstbewusst und sehr
freundlich und gütig. Ein wahrer Gentleman und der beste Freund, Partner, Gefährte, Kamerad, Beschützer - und(Lucille
kichert und läuft rosa an)Liebhaber, den ich mir nur wünschen könnte!

Du weisst ja längst, dass mein Mann, Emilys Vater, und ich eine ganz besondere Beziehung hatten: Das fing schon damit
an, dass er mich "rettete": Meine Eltern sind ja sehr früh gestorben, und dann kam ich als "Zofe" in das Haus einer sehr reichen
Frau..." - "...Die eine so wundervolle, gütige und liebevolle Frau wie dich (Lucille:"Naja, ich war da erst nicht ganz Sechzehn,
als ich zu dieser Frau kam.") - ein so wundervolles, gütiges und liebevolles Mädchen so grausam behandelt hat!"

"Bis zu dem Tag, an dem mein wunderbarer Mann einer sehr, sehr jungen und sehr traurigen Frau begegnete - und sie, MICH
tröstete und gut festhielt - bis ich, in seinen starken Armen geborgen, sehr zu weinen begann!
Nun, er war ja der Sohn einer Gräfin und ich ein "gewöhnliches" Mädchen - aber wir wurden Mann und Frau - und er, der
wundervollste und liebevollste Mann, den ich (Entschuldigung, Moritz, du bist wunderbar, aber natürlich kann ich meinen
Mann und seine Persönlichkeit und seine Liebe nie vergessen!) je gekannt habe - wurde von seiner Mutter, der Gräfin - verstossen!

Und dann wurde uns Emily geschenkt!"

"Die etwas ganz besonderes ist!" - "Ja! Weil sie so stark, so kraftvoll, so natürlich, so ganz sie selber ist! Und auch immer schon
viiiiel mutiger als ich! In den Jahren nach dem zu frühen Tod meines Mannes - da war Emily noch sehr klein - hatte ich nur sie -
und sie nur mich! Ich bin sicher, dass sie einmal eine besonders liebevolle Ehefrau und eine wunderbare Mutter sein wird - und dass
ihr Mann und ihr Kind oder auch ihre Kinder verstehen werden..."

"...Dass Emily keinen Menschen auf der ganzen Welt - bei aller jetzt so innig gewordenen Beziehung zu ihrer Großmutter, der Gräfin -
je so lieben wird und so sehr lieben kann wie dich. Emily ist ein "Freigeist" mit einem Goldenen Herzen, eine stolze kleine Suffragette
(Frauenrechtlerin!), sehr tapfer - und jemand, der Menschen beschützen will - den Jungen, den sie mal im Schlosspark getroffen
hat und für dessen Familie sie entschlossen gekämpft hat - besonders, als die Gräfin fast schon vorhatte, die Familie aus deren Haus
zu verjagen und deine Emily das mitbekommen hat! - und, vor allem, dich!"

"Oh ja! Sie würde für mich bis ans Ende der Welt gehen! Wir haben sooo viel gelacht und gespielt und soooo viele Gespräche
geführt. Und wie viele Fragen ich ihr immer wieder beantworten musste! Sie konnte schon sehr früh lesen und auch schreiben, auch
wenn ihre Schrift und ihre Rechtschreibung, naja, besser sein könnten! Rechnen kann sie wunderbar! Und ich denke, dass Emily
sehr begabt und in manchem ihrem Alter weit voraus ist! Viele "Erwachsene" haben keine so ausgeprägte Fähigkeit, für einen
geliebten Menschen da zu sein! Und Emily war IMMER für mich so eine gute Kameradin und Freundin, dass ich eigentlich - naja,
außer natürlich Dolores! (die ausser mir Emilys beste Freundin ist) - fast keinen anderen Menschen gebraucht habe!"

"Weshalb es für dich, Lucille, so herzzerreissend war, als du von der Gräfin ja praktisch gezwungen worden bist, dich von deinem
so besonderen Kind zu trennen - weil Emily zu ihrer Grossmutter kommen sollte, um "gutes Benehmen zu lernen". Und weil die
Gräfin DICH ja leider abgelehnt hat! Im übrigen wissen wir ja beide, dass Emily zwar das "höfische Benehmen", die "Manieren" und
so er(lernen) musste - aber das wirkliche Benehmen, das sie von DIR gelernt hat, zu ihrer Großmutter mitgenommen hat.

Denn Güte, Freundlichkeit, Mitmenschlichkeit, die Gabe, sich in einen Menschen einzufühlen und ihn zu verstehen,
Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe... All das kann ein Mensch "nur" erlernen, wenn es ihm ein anderer Mensch vorlebt - und
dieser andere Mensch warst und bist Du, Lucille!"

"Dankeschön!" Lucille strahlt - und küsst nun Moritz - sehr lange und sehr innig: "Aber es gab - und gibt - einen wundervollen
Menschen, der mit seiner Stärke und seiner Güte dafür gesorgt hat, dass mein Herz trotz der Trennung von Emily NICHT gebrochen
ist: Und das bist DU, Moritz!"

Auf einmal beginnt Lucille, sehr herzlich zu lachen: "Ich werde nie vergessen, mit welch unschuldiger Neugier und Unbefangenheit
Emily "damals" auf mich gezeigt hat - und mich gefragt hat, was "das" ist! Nun, dann bin ich zwar rot geworden, hab ihr aber dann
erklärt, was "Knutschflecken" sind - und was Lippenstiftspuren sind. Weil das eine "damals" nach unserer ersten schönen gemeinsamen
Nacht ich hatte - und das andere Du, lieber Moritz!"

Ach ja: Es gibt auch immer noch eine gewisse Malvina - eine äußerlich schöne (dunkelhaarige) und innerlich überhaupt nicht
schöne Frau, die aus Gier behauptete, mit dem anderen Sohn der alten Gräfin verheiratet gewesen zu sein - weshalb ihr Sohn
Alfred der wahre Erbe sei!
Längst sitzt sie wohlverdient im Gefängnis. Wofür unter anderem die entschlossene Dolores Hobbs gesorgt hat!
Denn die war ja gefeierte Sängerin! Und wer machte sich einmal mit den ganzen Theatereinnahmen davon? Ein Ehepaar,
bestehend aus Malvina - und ihrem Mann, der sich als Kammerdiener ins Schloß Liebenfels "einschmuggelte".
(Und der nun auch im Gefängnis sitzt!)

Und nun? Da wohnt die schöne Lucille auch längst im Schloss und versteht sich mittlerweile mit der alten Gräfin sehr gut!
Und die Gräfin ist "aufgeblüht" und eine sehr gütige Dame geworden!
Die längst gelernt hat, dass "wahrer Adel" im Herzen eines Menschen ist!

Moritz: "Ich habe sehr lange nach "der Richtigen", der passenden Frau für mein Herz, gesucht." - "Und das, obwohl doch
sicher viele Damen von einem so gutaussehenden und charmanten Mann wie dir, Moritz, beeindruckt waren und sind!"

"Mag sein, Lucille! Aber ich möchte "nur" mit einer Frau durchs Leben gehen, die ich wirklich liebe. Und die mich wirklich
liebt! Dass du sehr schön bist, weisst du selbst - aber wichtiger ist, dass du in deinem Inneren schön bist! Dazu klug und gebildet-
ich bewundere immer wieder, wie viel du dir mit guten Büchern er-lesen hast. Und außerdem (Moritz lacht herzlich)
hast du mich längst "auch" zu einem "Kämpfer für Frauenrechte" gemacht! Wir werden gewiss beide nie den Tag vergessen,
an dem du und ich ein wundervolles Gespräch mit der einzigartigen Baronin von Suttner (Bertha von Suttner, der großen
"Friedensberta", der "Mutter" der Österreichischen Friedensbewegung("Die Waffen nieder!") führen durften!"

Erwähnt sei noch, dass Lucille längst auch Alfred, den Sohn der fiesen Malvina, ins Herz geschlossen hat: einen "da drin"
liebevollen und tapferen Jungen, der sich längst von seinen Eltern abgewendet hat. Und mit den beiden nichts mehr zu
tun haben will!

Lucille ist eine soooo liebevolle Mutter, dass sie ihre Liebe nun eben "auch" Alfred schenkt. Er bewundert sie, er findet
sie schön, und er küsst sie gern. Sie hat ihm "richtig" tanzen beigebracht (früher hat er sich dabei SEHR ungeschickt
angestellt, wie über seine Füße stolpernd) - und erzählt ihm und "ihrer" Emily auch gern dies und das über die Bücher,
die sie selbst liest:

Zum Beispiel über "Sarah, die kleine Prinzessin": Das ist ein Mädchen, das als Halbwaise nach England und in ein
Mädcheninternat kommt. Sarah erweist sich für viele andere Mädchen als wunderbare Freundin und auch als liebe
(Fast)"Ersatzmutter" für ein vierjähriges Mädchen.Als sie elf ist, erfährt sie, dass nun auch ihr Vater gestorben ist.
Sie muss nun für die Leiterin des Internats arbeiten und kommt in eine schäbige, dunkle und kalte Dachkammer.
Behalten "darf" sie ihre Puppe - und ihre Freundinnen, die sie regelmässig besuchen.
Und Sarah freundet sich mit den Spatzen und einer Ratte an.

Eines Tages kommt dann ein alter Herr nach England. Er war ein guter Freund ihres Vaters. Der indische
Diener des alten Herrn bringt dem Mädchen Essen und Decken in die Dachkammer - und zündet ein warmes
Feuer an. Der alte Herr findet heraus, dass Sarah das so lange von ihm gesuchte Mädchen ist. Sie kann - sie wird
auch das Vermögen ihres Vaters bekommen - das Internat verlassen. In ihrem Herzen ist Sarah auch ohne
Vermögen eine wahre Prinzessin gewesen!

Und über den "Geheimen Garten": Das Mädchen Mary, das beide Eltern verloren hat, kommt als Waise zu
ihrem Onkel, Lord Craven, nach England. In der allmählich entstehenden Freundschaft zu dem Mädchen Martha
wird Mary hübsch, freundlich - und neugierig: vor allem, als sie das - verschlossene und überwucherte -
Tor zu einem "Geheimen Garten" entdeckt. Mary, Marthas Bruder und bald auch ihr Cousin Colin - der zunehmend
"aufblüht" - bringen gemeinsam den Garten zum Blühen.

Und am Ende gelingt es allen, auch den bisher verbitterten Onkel, Lord Craven, zum (Er)Blühen zu bringen!


Naja, und "eines Tages" wird Lucille den beiden Kindern noch über ein anderes Buch der Schriftstellerin
Frances Burnett erzählen: Das Buch, das eine ziemlich ähnliche Geschichte wie die von Emily, ihrer Mutter und
ihrer Großmutter erzählt, heisst "Der kleine Lord".

Und als der Spaziergang von Lucille und "ihrem" Moritz wieder hin zum Schloß führt, hüpft und läuft ihnen
die fröhliche, hübsche kleine Emily entgegen. Sie macht Moritz einen Knicks(er küsst ihr die Hand) und reckt
sich( ihre Mama ist ja groß), um den schönen Mund ihrer Mutter zu erreichen: "Wie geht es dir, Liebste?"

Lucille strahlt, es ist ihr anzusehen, wie glücklich sie ist: "Vielen Dank, mein Schatz, es könnte mir nicht besser gehen!"
Und dieses nun sooo glücklich sein können hat Lucille nicht zuletzt dem liebevollen Herzen ihrer Tochter Emily, auch ihrer "kleinen Lady",
zu verdanken: Der sie darum und dafür mit einem aus ihrem vollem Herzen kommenden "Dankeschön!" einen
laaangen Kuss gibt!
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