SINNENLUSCHD IM PFARRHAUS
Kurze Zeit, nachdem ich ins leerstehende Pfarrhaus in Königsheim eingezogen war, erzählte mir eine Königsheimer Neubürgerin, dass auch sie mit ihrer Familie beinahe dort eingezogen wäre. Und das kam so: Ihr Mann, ein Fabrikant, hatte im Dorfe eine Fabrik gebaut, und den Betrieb aufgenommen. Einzig das Wohnhaus war noch nicht fertiggestellt, und so musste die Familie noch warten, bis sie dort einziehen konnte. Der Betrieb ging vor.
Zwar habe der damalige Bürgermeister (es handelte sich um Xaver Dreher, den berühmten und berüchtigten „Löwen vom Heuberg“, einen kauzigen Mann mit ganz eigenem Humor, vor dem selbst hohe Ministerialbeamte im „Kultministerium“ in Stuttgart erzitterten) angeboten, bis zur Fertigstellung des eigenen Hauses einfach in das leerstehende Pfarrhaus zu ziehen. Platz wäre dort genug, auch für eine große Familie, und eventuelle Unbequemlichkeiten müsse man sowieso nur für kurze Zeit in Kauf nehmen.
Auf ihren Einwand hin, dass im Schlafzimmer alle vier Wände durch Tür- bzw. Fensteröffnungen unterbrochen wären, so dass es unmöglich sei, den großen Kleiderschrank an einer Wand aufzustellen, meinte er nur, dass sie eben den Kleiderschrank zwischen den beiden Ehebetten aufstellen, und eine große Öffnung in die Rückwand sägen sollten. „Ond wenn eib noch a Mole dia Sinnaluschd ieberkommt,noch ganget ihr oifach durch da Schrank zuanander, ond dr Käs ischd g´gessa!“ (= Und , sollte euch dann einmal die Sinnenlust überkommen, dann geht ihr einfach durch den Schrank zueinander, „und der Käse ist gegessen“ = das Problem ist gelöst!).
Jedesmal, wenn ich seither ein Pfarrhaus erblicke, muss ich an die Lüsternheiten dort im Schlafzimmer denken, zu deren Höhepunkt das Durchschreiten eines begehbaren Kleiderschrankes zählt, mit abschließendem Käsevesper.