UNGEHÖRIGES

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heuberger
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UNGEHÖRIGES

Beitrag von heuberger »

Gegensätze sind oft viel näher beieinander als wir uns dies vorstellen. Manchmal scheinen sie sich sogar direkt zu berühren. Gewöhnlich fällt uns dies gar nicht auf. Wenn es sich allerdings um „extreme“ Gegensätze handelt, bei denen auch noch tiefe Gefühle mit im Spiel sind, dann kann es auch zu den entsprechenden Reaktionen kommen. Tiefe Trauer und ausgelassene Heiterkeit sind für uns gewöhnlich unvereinbar.
Warum aber kommt es dann oft zu Szenen ausgelassener, geradezu lärmender Heiterkeit beim Leichenschmaus nach den heißen Tränen des Abschieds am offenen Grabe? Solcherlei Beobachtungen wirken gerade auf sensible junge Leute erschreckend und verstörend. Denn gerade die Jungen denken und fühlen vorwiegend in Alternativen. Daher kommt auch deren häufig zu beobachtende Intoleranz abweichendem Verhalten gegenüber. Totalitäre politische und religiöse Parteien und Systeme benützen dies gerne zur Anstiftung für ihre Verbrechen.
Mit zunehmendem Alter allerdings müssen wir nicht mehr so eng denken und fühlen, und könnten es uns sparen, so streng zu handeln! Warum aber überhaupt brechen wir manchmal bei traurigen Anlässen in schallendes Gelächter aus? Ich vermute, es steckt mehr dahinter als nur die Freude an makabren Scherzen.
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Unverhofft ganz plötzlich
Als erstes Beispiel fällt mir da Franz Lehárs Operette „Die Lustige Witwe“ ein. Hier geht es zwar um die fünfhundert Millionen der Hanna Glawari, der besagten Witwe, und um die Frage, wie verhindert man, dass die das Land verlassen. Aber bereits die herrliche Textstelle, die das hohle Geschwätz des Horaz: „Süß ist es, fürs Vaterland zu sterben!“ ironisch eindeutscht: „Süß ist es, fürs Vaterland zu erben!“, indem lateinische Phrasendrescherei durch deutschen Humor (!) ironisch konterkariert wird, weist darauf hin, wie Madame Glawari zu ihrem Vermögen kam.
Als junge Frau hat sie den alten Bankier Glawari geheiratet. Und der ist bereits in der Hochzeitsnacht verstorben. Allein diese Tatsache ruft Gelächter hervor, ohne dass wir uns Einzelheiten vorstellen müssen.
Nun hatte sich der Herr Bankier den Verlauf seiner Hochzeitsnacht sicher ganz anders vorgestellt, aber vielleicht tröstet ihn der Hinweis, dass er durch sein Ableben letztlich den Anstoß zu der vergnüglichen Operette geliefert hat.
Aber auch den moralisch sorgenvollen Hinweis rechtschaffen zarter Gemüter, dass „Die Lustige Witwe“ Hitlers Lieblingsoperette war, und deshalb am besten zu boykottieren und totzuschweigen sei, können wir wiederum mit diesem Hinweis etwas entschärfen, dass heute auch noch Luftmoleküle, die H. ein- und ausgeatmet hat, irgendwo in der Atmosphäre vorhanden sind. Konsequenterweise müsste dann aber auch das Atmen eigestellt werden. Also, lassen wir das doch besser.
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Getragen werden
Als zweites Beispiel für Heiterkeit im Zusammenhang mit Sterben und Tod mag hier die Geschichte vom Hinscheiden des guten Onkels Bernhard stehen. Auch hier gilt wieder: Es sind die konkreten Umstände des Sterbens, die Heiterkeitsausbrüche provozieren.
„Habt Ihr´s schon gehört, der Onkel Bernhard ist gestorben.“
„Nein, tatsächlich? - Etwa der Onkel Bernhard, der so sehr für alles Griechische geschwärmt hat?“
„Ja, genau der“
„War der nicht auch in so einen griechischen Verein eingetreten?“
„Ja, richtig, genau der.“
„Und der ist gestorben? - Ja, an was denn?“
„An einem Herzinfarkt.“
„Im Krankenhaus?“
„Nein, im Wirtshaus.“
„????? - Wo, bitte?“
„Er ist im Wirtshaus gestorben, als sein Verein dort einen griechischen Abend veranstaltete.“
„Ach je, das muss ja schlimm gewesen sein, auch für die Gäste.“
„I wo, er ist beim Sirtaki tanzen gestorben. - Sie haben´s aber erst nach einer halben Stunde gemerkt.“
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Der Beerdigungskuchen
Merkwürdig ist es dann aber schon, wenn so etwas im eigenen Familienkreis geschieht; aber auch, wie ich versichern darf, sehr aufmunternd. Es war am Tag der Beerdigung meines Onkels. Er war 95 Jahre alt geworden. Nach der Beisetzung der Asche auf dem Friedhof gingen die Trauergäste noch alle zum Kaffee in die Wohnung seines Sohnes und dessen Frau und den Kindern. Viele Familienmitglieder hatte ich seit Jahren nicht mehr gesehen.
Es waren anwesend: Witwe, Sohn, Schwiegertochter und die Enkelkinder des Verstorbenen. Des weiteren waren Vettern und Kusinen von mir, und deren Kinder gekommen. Und die Eltern der Schwiegertochter. Zum Kaffee gab es Kuchen, wunderbare Kuchen, u.a. einen Käsekuchen, den die Witwe nach altem Rezept gebacken hatte. Sie nannte ihn „Großmutters Käsekuchen“. Er schmeckte wirklich sehr gut. Leider konnte ich von der Schwarzwälder Kirschtorte, die meine Kusine gebacken hatte, nicht probieren, da ich noch nach Hause fahren musste. Denn meine Kusine geizte nicht mit dem Kirschwasser.
Die Anwesenden hatten sich in kleinen Gruppen zusammen gefunden und unterhielten sich. Die Gespräche plätscherten so dahin. Es wurden Ereignisse aus der Vergangenheit in Erinnerung gerufen, bereits verstorbener Angehöriger wurde gedacht, und die zahlreichen Wespen, die sich auch gerne an den Kuchen gütlich tun wollten, wurden erfolgreich abgewehrt.
Und wieder wurden die Kuchen gelobt. Da sagte der Sohn plötzlich: „Stimmt, die Mutter kann wunderbare Kuchen backen, vor allem zu Beerdigungen.“
Und nach einer Weile: „Ich fürchte, wenn sie mal stirbt, dann haben wir ein Problem.“
„Was für ein Problem?“ fragte die Mutter.
„Wenn Du stirbst, dann haben wir keinen anständigen Kuchen zu Deiner Beerdigung“.
Sie fing an zu lachen, da legte der Sohn noch nach: „Mutter, bevor Du stirbst, musst Du noch etliche Kuchen backen, damit die Leute bei Deiner Beerdigung auch ordentlich was zu futtern haben.“
Irgendwie freute ich mich, Mitglied dieser Familie zu sein.
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In diesem Sinne: Lasst Euch nicht unterkriegen.
;)
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