ADVENT

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heuberger
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ADVENT

Beitrag von heuberger »

In der Bergpredigt heißt es (Matth. 5):
23 Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, 24 so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe. 25 Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg zum Gericht bist. Sonst wird dich dein Gegner vor den Richter bringen und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben und du wirst ins Gefängnis geworfen. 26 Amen, das sage ich dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast.
Noch deutlicher geht es nicht: Wir müssen erst aufräumen, den Schutt und Müll wegräumen, sowohl den, den wir selber verursacht haben, als auch denjenigen, der uns von außen vor die Tür gekippt wurde, bevor wir bereit und fähig sind, neue Schritte in neue Welten zu tun.

DAMIT ES WEIHNACHTEN WERDEN KANN IN UNS, MÜSSEN WIR ERST DURCH DEN GANZEN ADVENT GEHEN, UM DEN MÜLL, DER SICH IN UNS ANGESAMMELT HAT, AUFZURÄUMEN.

Bei Bert Brecht heißt es im Vorspruch zu seinem Gedicht Deutschland, bleiche Mutter: „Mögen andere von ihrer Schande sprechen, ich spreche von der meinigen.“
Und genau das habe ich zweimal so gemacht. Die Reaktion darauf war jedesmal gleich, aber völlig unerwartet.: Zum ersten Mal war ich in Prag, damals noch Hauptstadt der Tschechoslowakei, im Jahre 1968. Ich hatte durch Zufall dort eine Familie Novàk kennen gelernt. Alle Mitglieder sprachen sehr gut deutsch, meine Kenntnisse der tschechischen Sprache, die für mich vom Klang her eine der schönsten ist, beschränk(t)en sich auf die paar üblichen Brocken für das Allernötigste im Alltag: Guten Morgen, guten Tag, guten Abend, ja, nein, danke, bitte, essen, trinken, schlafen, und natürlich die unanständigen Wörter, die man zumeist als allererste in einer fremden Sprache zu hören bekommt. Also unterhielten wir uns auf deutsch, das war für mich am ungefährlichsten. Und so sprachen wir auch über die politische Situation damals (eben erst war der „Prager Frühling“, der Versuch, einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz aufzubauen, „brüderlich“ zerschlagen worden).
Als ich dann auf das Verhältnis Deutsche – Tschechen in der Geschichte zu sprechen kam, insbesondere auf die Zeit um 1938, Münchner Abkommen, Angliederung des Sudetenlandes an das Reich, und spätere Besetzung des tschechischen Staates, und die Ungeschicklichkeit und schuld der deutschen Politik, die letztlich das ganze Volk zu verantworten hatte, Täter, Mitläufer, passiver und aktiver Widerständler, da geschah etwas höchst Merkwürdiges: Meine Gastgeber fingen an, von den Versäumnissen und vom schuldhaften Verhalten der tschechischen Politik gegenüber der deutschen Bevölkerung zu reden, Unterdrückung der Sudetendeutschen vor 1938, Benesch-Dekrete 1946, mit anschließender Enteignung und Vertreibung der Deutschen. Und plötzlich befanden wir uns in einer ungewöhnlichen Situation: Wir bekannten einander „unsere“ Schuld. Plötzlich befanden wir uns in einer biblischen Situation.

Und genau eine solche erlebte ich noch einmal, rund zwanzig Jahre später, in Gray in Frankreich.

Theoretisch kennen wir solche Situationen aus dem Religionsunterricht, bzw. aus biblischen Berichten. Es ist aber etwas völlig anderes, wenn etwas derartiges ohne Vorwarnung über uns kommt. Wir schwanken dann zwischen dem Entzücken des Wiedererkennens und der Bange vor der Frage: Was geschieht da mit uns?

So ist Advent eben nicht nur das kinderselige Warten aufs Christkind, sondern auch die schwierige Zeit des Aufräumens, Sichtens und Beseitigens von Hindernissen, die der Lösung eines großen Problems im Wege stehen.
Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog sagte es in einer Ansprache so: „Das Licht von Advent und Weihnachten wärmt uns nicht nur, es erhellt auch den Raum um uns und macht die Dinge manchmal schmerzlich sichtbar, auch die hässlichen.“
Erwarten wir also für den Advent nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Manchmal geht es da auch stürmisch her, und es kommen fürchterliche Dinge auf den Tisch, die angesprochen und bearbeitet werden müssen. Advent kann eine sehr schwierige und schmerzhafte Zeit sein, eine Zeit der Aufarbeitung und Reinigung, in der wir arg in die Mangel genommen werden. Aber hinterher bemerken wir dann vielleicht, dass wir einen Quantensprung gemacht haben in unserer Entwicklung, hinauf auf eine neue, höhere Ebene.

Advent heißt „Ankunft“, gemeint ist Ankunft des Herrn. Christen erwarten die Wiederkunft Jesu Christi.

Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon (+), ein höchst umstrittener General und Politiker, wurde einmal gefragt, warum er als gläubiger Jude so eng mit fundamentalistischen amerikanischen Christen zusammenarbeiten würde.
Er gab zur Antwort: „Wir Juden erwarten das Kommen des Messias´, die Christen erwarten die Wiederkunft des Messias´.
Wenn er dann wirklich kommt, dann fragen wir ihn einfach, ob er jetzt zum ersten oder zum zweiten Male käme.“
Wahrhaftig, eine geniale Antwort, die uns zeigt, dass auch sehr ernste Dinge auf sehr heitere Art und Weise angesprochen werden können.
Dazu können wir nur sagen; Warten wir´s ab. Oder, wie es Franz Beckenbauer, der große Philosoph aus dem Bayerischen, sagt: „Schaugn wer mal!“

So wird Advent im Leben einfach die Zeit, in der wir unsere Augen schärfen sollen, um richtig hinzusehen; die Zeit, in der wir die Dinge, die durcheinander geraten sind, wieder in Ordnung bringen; und die Zeit, die uns bereit macht für die großen Dinge mit und an uns, die dann auch eintreten. Machen wir einfach die Augen auf und schauen wir hin. Wir werden schreckliche Dinge sehen und angenehme. Wir müssen sie dann nur noch bemerken und erkennen und daraufhin unser Verhalten ändern.
SOWAS NENNT MAN LERNEN.
Tun wir´s! Es geht ganz einfach!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen gesegneten und erfolgreichen Advent.
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