Der Fremde

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Sternsucherin
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Der Fremde

Beitrag von Sternsucherin »

Gestern Nacht da träumte mir
ein Mann ständ' nachts vor meiner Tür
er bat um Brot und etwas Geld
sah aus wie alles Leid der Welt
ich denk' spontan an Jesus Christ
er sieht so aus, als ob er's ist

ich bin verwirrt von der Gestalt
lasse ihn ein, denn es ist kalt
doch ich hab' Angst, handle so nie
dass ich Fremden Vertrauen lieh
Unsicherheit im Rücken hängt
eh' er den Blick zu mir gelenkt

ein dünner Mantel hüllt ihn ein
und Grau in Grau - mein Augenschein
wie er nun hager vor mir steht
ein tiefes Leid zu mir her weht
ich biete einen Stuhl ihm an
am Herd, wo er sich wärmen kann

stell' einen Tee dann vor ihn hin
und denk' – ob ich noch richtig bin
kurz vor der Nacht ihn einzuladen
am Ende will er noch hier baden
es ist – als handle ich gegen mich
und setz' mich zu ihm an den Tisch

wenn's jemand wüsst', welche Blamage
im Innern fehlt mir die Courage
doch steh' ich nun zu meiner Tat
für solchen Fall kein Plan man hat
der Körper müd' – im Kopf verwirrt
mein Blick rastlos im Zimmer irrt

da hebt er zu mir sein Gesicht
ich traue meinen Augen nicht
ein Blick so hell und sternenklar
schaut wie von fern und doch so nah
ich bin gebannt – kann Blick nicht wenden
und spiel nervös an meinen Händen

was soll das alles – wer ist er?
ihn das zu fragen – fällt mir schwer
ich sage nichts – schau ihn nur an
da fängt er leis' zu reden an
woher er kommt – was ihm geschah
und dass er wand're viele Jahr'

zu suchen nach des Lebens Sinn
und Zufall führe ihn hier hin
er brauche wenig nur zum Leben
und nähm' nur an, was gern gegeben
hör' was er sagt, kann's nicht deuten
hoff' still auf baldig's Weckerleuten

es muss ein Alptraum sein fürwahr
sonst wäre mir der Wahnsinn nah
doch Mann und Bild will nicht verschwinden
ich will's geduldig überwinden
so ärmlich, hager, unbedarft
sein klarer Blick es Lügen straft

hör' seine Stimm' - nicht was er sagt
und eine Neugier an mir nagt
wer ist er und wo kommt er her
von Angst merke ich gar nichts mehr
wenn ich's bedenk' – wie lächerlich
sitz' mit dem Fremden nachts am Tisch

lass sonst ich keine Fremden ein
nicht mal die Nachbarin – oh nein
Misstrauen wurde groß geschrieben
hier ist nur Platz für meine Lieben
ich hol das frische Brot heraus
und totenstill ist es im Haus

als gäb' es uns nur auf der Welt
ist er ein Bettler – will er Geld?
wär er ein rechter Handwerksmann
hätt' er doch feste Schuhe an
als endlich Sorge von mir fällt
reden wir über Gott und die Welt

und als er nimmt das Glas zur Hand
schau ich die Finger an gespannt
sie sind so weiß, so fein und schmal
zu finden nicht ein derbes Mal
denk' ich an Obdachlosenhand
sind rau und von der Sonn' verbrannt

die Nägel lang – hart wie beim Tier
und für das Auge keine Zier
doch seine seh' ich auf Papier
und schreibend - still im Geist bei mir
seh' Finger, die in Tasten greifen
Musik unter den Griffen reifen

die Handform lang – die Finger gleich
man kennt's aus Philosophenreich
das hag're Elend vor mir seh'
Zusammenhänge nicht versteh'
ich hab vor Angst nicht aufgepasst
und seine Worte nicht erfasst

nur seine Stimm' wie Cherub's Chor
die klinget nach in meinem Ohr'
und längst schon red' auch ich von mir
er gibt stets wissend Antwort hier
und einmal streift mich seine Hand
mir ist, als hätt' mich was verbrannt

sein Blick fängt gütig meinen ein
mir ist, als trägt er Heil'genschein
und was das Sonderbarste ist
die Kleidung frei von Düften ist
nicht modrig, muffig – sie ist rein
bei Gott, das kann doch gar nicht sein

nur einmal geht er aus der Tür
und sagt "ich bin gleich wieder hier"
ich wag in seine Tasch' nen Blick
ehe er wieder kommt zurück
das alte Leder hochgehoben
feines Papier leise verschoben

mir fällt ein Kreuz in meine Hand
aus Holz geschnitzt aus fremdem Land
und einen Fisch aus golden Quarz
und inwendig Getier und Harz
erschrocken lass ich los den Fund
die Glock' tut Morgenstunde kund

da tritt er lautlos in den Raum
noch immer währt der seltsam' Traum
sein Haar leicht auf die Schulter fällt
mir scheint, er ist nicht von der Welt
und wenn er geht, scheint er zu schweben
ich glaub, ich werd's nicht überleben

wenn er der ist, an den wir glauben
wird es mir den Verstand gleich rauben
was war der Sinn von dieser Nacht
die mich fast um Verstand gebracht?
dann steht er vor mir, lächelt nicht
doch liebevoll ist sein Gesicht

auch wenn er schweigt, kann ich sie hören
die Worte, die gesprochen wären
an meiner Schulter seine Hand
berührt mich sanft und warm wie Samt
auch wenn ein Traum - es ist mir gleich
ich fühl' mich wie im Himmelreich

noch niemals solche Güte spürte
nie etwas tiefer mich berührte
kann nicht erklären diesen Sinn
und geb' mich diesen Stunden hin
und seinen Dank für Trank und Essen
bleibt in mir haften unvergessen

weil es biblische Züge hat
ebenso wie ein Bibelzitat:
als Petrus ist mit ihm gegangen -
"ab heute sollst Du Menschen fangen"
so bringe ich ihn noch zur Tür
es scheint, als wären Freunde wir

und als er gibt mir seine Hand
spür' ich in Händen dieses Band
an dem der Fisch hängt mit dem Harz
aus Urzeiten im goldnen Quarz
ich halte fest das kostbar' Gut
und spür' mein Herz ist voller Glut

und Hoffnung, Liebe keimen still
weil dieser Fremde es so will
der kam bei Anbruch letzter Nacht
und hat mir wieder Mut gemacht
und als der Morgen zieht ins Land
häng' um den Hals ich dieses Band ..
*Entferne dich nie zu weit von dir*
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Helga
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Re: Der Fremde

Beitrag von Helga »

Ein fantastisches Gedicht, liebe Ela. Das geht unter die Haut.
All die Details, die Du beschreibst, was für ein Traum.

Hast Du das tatsächlich so geträumt? Wahnsinn!

LG
Helga
Auch aus Steinen, die in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.
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Re: Der Fremde

Beitrag von Sternsucherin »

Helga hat geschrieben:Ein fantastisches Gedicht, liebe Ela. Das geht unter die Haut.
All die Details, die Du beschreibst, was für ein Traum.

Hast Du das tatsächlich so geträumt? Wahnsinn!

LG
Helga


Danke liebe Helga,
alles in einem Rutsch geschrieben
das war eine besodnere Nacht, wenn sowas dabei rauskommt, die Muse hat mich da sehr geküsst

LG Ela
*Entferne dich nie zu weit von dir*
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