Die Auswanderer

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Rehmann
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Die Auswanderer

Beitrag von Rehmann »

"So geht es nicht weiter", dachte sich der Schreinermeister Dollinger aus Niedersachsen, vor zehn Monaten. "In Deutschland wird es immer schlimmer mit der Arbeitslosigkeit, es geht immer weiter bergab, nur noch "vierhundert Euro Stellen" und "ein Euro Jobs". Fast täglich sieht man es im Fernsehen, wie die Leute ihre Sachen packen und ins Ausland gehen. Wer weiß, wie lange ich noch meine Arbeit habe, der Chef hat bereits die Schliessung des Betriebes, in wenigen Monaten, angesagt."
"Wir bleiben auch nicht länger hier", verkündete Herr Dollinger mit erhobener Stimme damals seiner Frau und seinen fünf schulpflichtigen Kindern beim Mittagessen, "wir wandern aus, und zwar nach Kanada! Dort gibt es genügend Arbeit für einen Mann wie mich, mit meinen Fähigkeiten. Ich will endlich einmal richtiges Geld verdienen und in einem eigenen Häuschen wohnen!"

Das alles gehört jetzt der Vergangenheit an. Familie Dollinger wohnt seit drei Monaten in einem Einfamilienhaus in Kanada. Der Schreinermeister hat sofort einen Superjob in seinem Beruf gefunden und ist jetzt gerade dabei, sein gebraucht gekauftes Eigenheim, an Wochenenden, oder wie heute nach Feierabend, den letzten Schliff zu geben.
Plötzlich, es ist gerade neunzehn Uhr, die Großfamilie sitzt beim Abendessen, klingelt das Telefon. Der Jüngste, erst sieben Jahre jung, springt auf und greift zum Hörer: "Hallo, hier ist Matthias Dollinger, wer ist denn da," fragt der Dreikäsehoch mit piepsiger Stimme. "Hier ist Deine Omi aus Deutschland, aus Hannover, kannst Du mich hören, - erzähl doch mal wie es Dir geht?" "Aber ja, Omi, ich höre Dich gut," erwidert der Kleine freudestrahlend.
Natürlich will die Oma alles wissen; sie fragt und fragt, nach der Schule, nach Freunden, der Gegend, dem Wetter und vieles mehr. Dann, es sind Minuten verstrichen, läßt sie auch ihr Enkelchen zu Wort kommen.
"Omi, es ist ganz prima hier, viel schöner als in Deutschland, wir haben einen schönen, riesigen Garten, ein ganz tolles Haus und jeder hat sein eigenes Zimmer."
Der kleine Schlaumeier legt eine Pause ein, sagt dann mit sehr nachdenklichem Gesicht: "Nur die arme Mama, die hat kein eigenes Zimmer, die muß auch hier in Kanada immer noch bei Papa schlafen."
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