Everything Changes - Liebesromanze

Werke, deren Themen nicht in die anderen Rubriken passen, bitte hier einstellen
Antworten
Benutzeravatar
FloatingHereTooLong
Neugierig
Neugierig
Beiträge: 8
Registriert: Samstag 9. November 2013, 12:43

Everything Changes - Liebesromanze

Beitrag von FloatingHereTooLong »

Prolog und Kapitel 1 - 2:


Prolog


„Hey, ich bin zu Hause!“
Er ließ die Wohnungstür hinter sich ins Schloss fallen und stellte recht überrascht fest, dass alles dunkel war. Es überraschte ihn deshalb, weil seine Frau stets darauf bedacht war, ihn unermüdlich per Textnachricht oder in Form von kurzen Anrufen darüber zu informieren, wo sie war und was sie tat.

Wäre man eher zynischer Natur, würde man wohl sagen, es sei der reine Kontrollzwang, da sie viel mehr wissen wollte, was ihr Mann so trieb. Dieses ständige, unterschwellige Misstrauen war besonders aus Sicht seiner Freunde komplett daneben, denn auch, wenn die es nicht nachvollziehen konnten, treu war er ihr!
Sie hatte also augenscheinlich keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen.
Er seufzte, knipste das Licht in der Diele an, ging schnurstracks in die Küche, machte sich auch hier Licht und fand ein Post-it am Kühlschrank:

'Hey Baby, bin zu Meredith auf ein Glas Wein. Ich liebe dich, bis später!'

Irgendwie war er erleichtert, dass sie nicht da war und er genoss es, einfach seine Ruhe nach diesem anstrengenden Arbeitstag zu haben. Manch einer würde wohl behaupten, dies seien keine idealen Voraussetzungen für eine Ehe, was wohl leider auch der Fall war.

Sie hatten sich während seines Studiums kennengelernt, als er in ihrer Boutique einen Anzug gekauft hatte. Dieser Laden war ein Geschenk von einem schwerreichen Vater für seine Tochter gewesen, um dieser einen Mädchentraum zu erfüllen.

Am Anfang war er alles andere als interessiert gewesen, denn sie war nicht sein Typ, aber sie war beharrlich geblieben und hatte um ihn gekämpft.
Schlussendlich waren sie dann doch zusammengekommen, er wusste heute selbst nicht mehr, warum eigentlich.
Obendrein hatte ihr Vater ihm auch noch einen Job als Prokurist im Anschluss an sein Jurastudium in dessen Firma angeboten, und so hatte er sich wohl immer mehr verpflichtet gefühlt.
Auch etwas, dass er sich nicht mehr wirklich erklären konnte. Schließlich hatten sie also geheiratet und sich nur noch weiter in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt - aus seiner Sicht!
Wie auch immer, hier war er nun: 38 Jahre alt, nach wie vor Prokurist in der Firma seines Schwiegervaters und er hatte das Gefühl, sein Leben würde einfach so an ihm vorbei ziehen.

Angela hingegen wollte es partout nicht wahrhaben, denn für sie war er der absolute Traummann, auch noch nach so vielen Jahren.
Deshalb blockte sie auch jedes Mal ab, wenn er mit ihr darüber sprechen wollte, was ihn nervte und dazu führte, dass er ihr gegenüber immer ungerechter wurde.
Er hatte lange gebraucht, um sich selbst einzugestehen, dass von seiner Seite aus keine Gefühle mehr da waren, wenn sie denn überhaupt jemals völlig bedingungslos dagewesen waren. Den Eindruck, er würde mit rosaroter Brille durchs Leben gehen, den hatte wohl nie einer gehabt, inklusive seiner eigenen Wenigkeit.

Wie hatte es sein bester Freund neulich so lapidar formuliert: die Macht der Gewohnheit.
Der gut gemeinte Rat, den er gratis dazu hatte, war, er solle sich scheiden lassen und endlich sein Leben genießen, er könne schließlich jede haben. Aber Mike hatte leicht reden.

So einfach war das nicht, und immerhin hatten sie auch tatsächlich mal schöne Zeiten zusammen verlebt und Gefühle hatte er doch auch für sie gehegt, sonst hätte er sie wohl kaum geheiratet! Oder?
Aber egal wie, er wollte nicht eines dieser Arschlöcher werden, die ihre Frauen einfach im Stich lassen und durch die Weltgeschichte vögeln.
Er seufzte abermals in sich hinein, holte sich aus dem Kühlschrank eine Flasche Bier, stellte sich ans Fenster und blickte hinunter in die Straßen New Yorks.
Im Fensterglas sah er schemenhaft sein Spiegelbild und fragte sich, wie lange er den Anblick noch ertragen könnte, wenn er nicht bald reinen Tisch machte.

Nachdem er das Bier in wenigen Schlucken geleert hatte, überkam ihn schlagartig eine unschöne, lähmende Müdigkeit.
Er schlurfte also ins Bad, putzte sich die Zähne, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und starrte sich anschließend in dem überdimensionalen Spiegel an.
Die vielen beruflichen Termine der letzten Tage hatten eindeutig ihre Spuren an ihm hinterlassen. Seine großen, ausdrucksstarken, grünen Augen wirkten glanzlos und die schwarzen Ränder, die sich neuerdings darunter abzeichneten, hätte man an diesem Abend selbst mit Camouflage nicht mehr wegzaubern können.
Die sinnlich geschwungenen Lippen waren blass und seine sonst recht weichen Züge erschienen hager. Er strich sich mit den Händen durch das schwarze, modisch geschnittene Haar, entledigte sich seiner Klamotten und verließ das Bad Richtung Schlafzimmer, wo er sich ins Bett fallen ließ und erschöpft einschlief.
Angela kam gegen 23.30 Uhr nach Hause, was er nicht mehr mitbekam. Für sie war die Welt in bester Ordnung, sie legte sich hinter ihn, küsste ihn sanft auf den Nacken und schlang ihre Arme um ihn.


Kapitel 1 - In Chains


Am darauf folgenden Morgen, einem Dienstag, hatte sich Gregory Byron Preston vorsichtig aus der Umarmung seiner Frau gelöst, sich so leise wie möglich fertiggemacht und dann viel zu früh den Weg zur Firma angetreten.
Um die Zeit bis zum Arbeitsbeginn zu überbrücken, hatte er sich an einem Zeitungsstand die Times gekauft und war zu einer der vielen Starbucks Filialen gegangen. Dort bestellte er sich einen anständigen Espresso und verkrümelte sich mit den Neuigkeiten aus Politik, Wirtschaft und Co. in eine ruhige Ecke, in der Hoffnung, durch das starke italienische Gesöff noch etwas wacher zu werden.

Pünktlich um 9.00 Uhr war er dann in seinem Büro angekommen, wo ihn seine Assistentin wie jeden Morgen begrüßte, ihm die Unterschriftenmappe in die Hand drückte und dann die Kaffeemaschine anstellte. An diesem Morgen jedoch schien etwas anders zu sein als sonst, sie machte auf Greg einen bedrückten, unsicheren und nervösen Eindruck.
Sie war schon die Assistentin seines Vorgängers hier gewesen, also kannten sie sich mittlerweile eine Ewigkeit und er schätzte sie sehr.
Entsprechend besorgt streckte er dann seinen Kopf noch mal aus seinem Büro, nachdem er seine sieben Sachen dort abgestellt hatte: „Alles in Ordnung, Mrs Miller?“
Die sympathische Dame Anfang 50 fuhr irritiert dreinschauend herum, fing sich jedoch schnell wieder: „Um ehrlich zu sein, nein... Könnten wir vielleicht einen Moment in Ruhe reden?“

Sie senkte traurig den Kopf und Gregory, dessen Herz gerade dabei war, in die Hose zu rutschen, antwortete weitaus enthusiastischer, als ihm zumute war: „Klar, schnappen sie sich Ihren Kaffee und kommen Sie mit.“
Er zwinkerte ihr aufmunternd zu, war aber gespannt wie ein Bogen und es schwante ihm nichts Gutes. Jedoch bemühte er sich um Professionalität, er wollte sich nichts anmerken lassen. Schließlich war er ihr Vorgesetzter.

In seinem Büro deutete er auf die Sitzecke, die aus einem gemütlichen, sehr modernen und sehr niedrigen Zweisitzer im Lounge-Style, ein Paar dazu passenden Sesseln und einem dunkel lackierten, ebenso niedrigen Teakholztisch bestand.
Seine Angestellte nahm auf dem Sofa platz, er selbst ließ sich ihr gegenüber auf einem der Sessel nieder.

„Nun sagen Sie schon! Was um alles in der Welt ist passiert?“ Er kaute fahrig auf seiner Unterlippe und versuchte zu ergründen, was in ihr vorging. Wollte er nicht eigentlich den Routinierten abgeben? Egal, er war zu angespannt, um einen auf cool zu machen.

„Ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll, Mr Preston. Es ist alles andere als erfreulich für mich!“

„Sie jagen mir 'ne riesen Angst ein!“

Sie sah ihn entschuldigend an, senkte dann jedoch wieder den Kopf und sprach schnell weiter: „Wissen Sie, mein Mann hat letzte Woche einen überaus lukrativen Job in Chicago
angeboten bekommen und er hat, nach reiflicher Überlegung, gestern zugesagt.“

„Okay... Sie erzählen mir gerade, dass Sie kündigen und mit ihrem Mann nach Chicago gehen werden?“ Der Tag fing echt beschissen an und er konnte seine Enttäuschung, wobei Verzweiflung es wohl eher getroffen hätte, nicht verbergen.

„Sieht so aus... Leider... Aber mein Mann wäre blöd gewesen, dieses Angebot abzuschlagen, das weiß ich auch! Ich hätte es mir auch nie verziehen, wenn ich ihn dazu gebracht hätte, mir zuliebe auf eine solche Chance zu verzichten, trotzdem bin ich sehr zwiegespalten. Ich habe mein Leben lang in New York gelebt, meine Familie und Freunde sind alle hier. In Chicago habe ich im Moment keine Perspektive und mit 52 bekomme ich auch nicht mehr so mir nichts, dir nichts neue Arbeit.
Abgesehen davon fühle ich mich hier sehr wohl und einen besseren Chef als Sie es sind, kann ich mir nicht wünschen. Aber was hilft es?“

Eine Pause entstand, in der beide ihren Gedanken nachhingen, dann ergriff Gregory Preston wieder das Wort: „Eigentlich ist es ja aus Sicht Ihres Mannes eine wirklich tolle Nachricht, aber aus meiner eine ziemlich Schlechte. Ich lasse Sie wirklich nicht gerne gehen!“ Er sah seine langjährige Assistentin betroffen an.
Eine kleine Träne verselbstständigte sich in diesem Moment bei ihr und kullerte ihre Wange hinunter.

Da weder Mitleid für Sie, noch sein eigenes Selbstmitleid etwas bringen oder gar ändern würde, sammelte er sich, dachte kurz nach und unterbreitete ihr dann einen Vorschlag, der sie, so hoffte er, ein wenig aufmuntern würde.

„Was Ihre beruflichen Aussichten in Chicago angehen, so warten Sie erst mal ab Mrs Miller, ich werde mich mal für Sie umhören. Brody Inc. hat ein paar solide Geschäftskontakte nach Windy City. Vielleicht lässt sich da was machen! Wäre das ein kleiner Lichtblick für Sie?“

„Das würden Sie für mich tun?“ Ihre Miene erhellte sich tatsächlich ein wenig.

„Wenn nicht für Sie, für wen dann? Und wenn Sie mich hier schon mit Brody alleine lassen, dann will ich wenigstens wissen, dass Sie gut unter sind!“

Jetzt lächelte er sie wieder aufrichtig an, es war dieses Lächeln, in das sich Angela jeden Tag neu verliebte und dem auch so viele andere Frauen sehnsüchtig hinterher lechzten.

---

Nachdem der attraktive Jurist den ersten Schock verdaut hatte, traf er sich später an diesem Tag mit seinem besten Freund Mike, der inzwischen eine eigene Kanzlei an der Upper East Side hatte, zum Lunch, um ihm bei einem Caesars Salad von seinem turbulenten Vormittag zu berichten.

„Oh man, Greg! Tut mir echt leid, dass Mrs Miller geht! Das hat dir ja gerade noch gefehlt.“ Der blonde Hüne schüttelte Anteil nehmend den Kopf.

„Du sagst es! Vor allen Dingen bedeutet das, ich muss mir völlig objektiv und unvoreingenommen 'ne neue Assistentin suchen. Wirklich klasse! Wird bestimmt saumäßig einfach und ein riesen Spaß!“ Gregorys Stimme triefte vor Ironie. „Und wenn das nicht schon genug für einen Tag gewesen wäre, so hat mir dann mein werter Schwiegervater eben noch ganz spontan 'ne Dienstreise aufgedrückt. Für die nächsten drei Tage muss ich runter nach D. C. – neue Verträge mit Geschäftspartnern aushandeln und abschließen. Angela wird mal wieder am Rad drehen.“

Noch bevor Mike ein paar schnippische Kommentare über die ihm verhasste Frau seines besten Freundes loslassen konnte, klingelte Gregs iPhone. Ein Blick des Schwarzhaarigen auf das Display ließ diesen die Augen verdrehen: „Angela.“

„Haben der jetzt die Ohren geklingelt?“ war dann doch noch die spöttische Bemerkung des Scheidungsanwalts in Richtung Mrs Preston.

Greg ging nicht darauf ein, sondern nahm den Anruf entgegen: „Hey, was gibt's?
- Wieso?
- Nein!
- Angela, lass uns heute Abend darüber reden, ja? Ich bin spätestens um 6 Uhr zu Hause, weil ich morgen nach Washington muss.
- Beschwer' dich bei deinem Vater, der hat mir das heute unverhofft aufs Auge gedrückt, weil er irgendwelche anderen terminlichen Verpflichtungen hat, die er angeblich nun doch nicht verschieben kann. Was auch immer...
- A-N-G-E-L-A, heute Abend, okay? Gut, bis später.“

Michael Kensingtons Gesichtsausdruck sprach Bände, als Gregory den Anruf beendete, das Telefon auf Seite legte und aus tiefster Seele seufzte.

„Greg, du musst endlich Tacheles reden, hörst du?!“

„Ich weiß. Aber du kennst sie doch! Ich habe noch nie einen so konfliktscheuen und gleichzeitig so streitsüchtigen Menschen wie sie erlebt. Sie handelt das ab, wie alles andere bisher auch:
Ich spreche ein Problem an, sie ignoriert es, hält mir im Gegenzug alles Mögliche vor und versucht mir weiß zu machen, ich sei an allem Schuld und wüsste nicht zu schätzen, was sie und ihr Dad alles für mich getan hätten.“

„Das nennt man emotionale Erpressung und im Übrigen kann ich es mir echt nicht mehr lange mit angucken, wie unglücklich du bist! Ich mache mir Sorgen um dich!“

Greg schaute unsicher und etwas verlegen unter sich, dann antwortete er schnell: „Wenn ich aus D. C. wieder da bin, werde ich es ihr einfach an den Kopf hauen! Vielleicht brauche ich mir dann auch keine neue Assistentin mehr suchen, weil mein geliebter Schwiegervater mich eh auf die Straße setzt und sich 'nen neuen Prokuristen sucht, wenn
er erfährt, dass ich seine Tochter nicht mehr liebe.“

---

Die Woche war unterdessen vergangen wie im Flug, Gregory war nach Washington abgereist und dort dabei, die Angelegenheiten zur Zufriedenheit seines Chef zu regeln, während in New York ganz andere Sachen ohne ihn geregelt worden waren.

---

Es war inzwischen Freitagvormittag und Lorena Johnson sah sich neugierig an ihrem neuen Arbeitsplatz um. Mr. Brody, ein guter Freund ihres alten Chefs hatte vergangenen Mittwoch bei diesem angerufen und geklagt, das die Assistentin seines Prokuristen mit Ablauf des Monats mit ihrem Mann nach Chicago ziehen würde. Lorena wiederum hatte ihrerseits in der Kanzlei gekündigt, weil das Arbeitsklima katastrophal war und sie einfach nicht mehr konnte. Ihr Ex-Boss hatte daraufhin sie als Nachfolgerin vorgeschlagen und sie war am selben Tag zu einem Vorstellungsgespräch bei Mr. Brody erschienen. Das Glück war ihr hold und sie hatte allen Ernstes eine Zusage erhalten, womit sie im Leben nicht gerechnet hätte.

Nun hatte sie heute ihren ersten Probearbeitstag und Mrs. Miller, deren Job sie übernehmen sollte, würde sie die nächsten zwei Wochen einarbeiten. Wenn die großen Bosse miteinander verhandeln, dann ging immer alles ganz schnell und die Einhaltung von Kündigungsfristen war prioritär ganz weit hinten angesiedelt. Ihr sollte es recht sein!

Mrs Miller war eine sehr nette und erfahrene Frau Anfang fünfzig und Lorena hatte sich auf Anhieb wohlgefühlt. Außerdem hatte sie nur Gutes von ihrem zukünftigen Chef, einem Mr Preston gehört. Mrs Miller schien ehrlich traurig zu sein, nicht mehr für ihn arbeiten zu können.

Ein wenig mulmig war ihr dennoch vor dem ersten Zusammentreffen zumute, war sie doch von Mr Brody einfach so eingestellt worden. Was würde wohl Mr Preston zu seiner neuen Angestellten sagen? Der befand sich nämlich auf Geschäftsreise und sie würde ihm erst am Montag begegnen. Sie hoffte jedenfalls, dass sie hier bleiben konnte, denn alles war besser, als ihre alte Stelle.



Kapitel 2 - Expect the unexpected


Ein Wochenende in aufreibend nervösem Zustand hatte Lorena zum Glück überstanden, wenngleich sie sich nicht ganz sicher war, ob ihr nicht einige graue Haare gewachsen waren.
Ihr Puls hatte sich jedenfalls nicht beruhigt. Nur gut, dass es endlich Montag und sie an ihrem neuen Arbeitsplatz angekommen war! Jetzt hoffte sie nur noch, ihr neuer Chef würde sie akzeptieren.

Da Mrs Miller gerade einige Sachen, die erledigt werden mussten, zum Schreibpool brachte, nutzte Lorena die Minuten des Leerlaufs dazu, sich genauer umzusehen. Alles hier wirkte so persönlich und gemütlich. Eigentlich das genaue Gegenteil zu der Anwaltskanzlei, in die sie sich bis einschließlich letzte Woche Donnerstag noch jeden Morgen geschleppt hatte.

Ihr zukünftiges eigenes Büro war ein großer Raum, dessen Boden mit hochwertig wirkendem Parkett ausgelegt war. An den Wänden waren beigefarbene Tapeten und außerdem zahlreiche Bilder in stilvollen dunklen Holzrahmen. Außerdem gab es große Fenster, die viel Tageslicht hereinließen. In einer Ecke gab es eine gemütliche Sitzgruppe aus modernen Lounge-Möbeln für wartende Kunden, daneben ging ein kleiner Raum ab, der mit einer Küchenzeile ausgestattet war. Gegenüber der Sitzgruppe war eine imposante Flügeltür, die zum Office von Mr Preston führte. Links daneben stand ihr großer Schreibtisch aus dunklem Holz und einem sehr bequemen Ledersessel. Das Büro ihres neuen Chefs war ähnlich eingerichtet. Alles in allem war es hier sehr behaglich, wie sie fand.

Apropos Chef: Es ging inzwischen auf 10 Uhr zu und eigentlich hätte er schon längst da sein müssen. Lorena wurde immer nervöser.

---

„DU HAST WAS???“ Greg war fassungslos und maßlos wütend! Er spie seinem Schwiegervater die Worte förmlich ins Gesicht.

„Was regst du dich eigentlich so auf?“ John Brody sah ihn verständnislos an. „Sei doch froh, dass ich dir die Arbeit abgenommen habe.“

„Arbeit abgenommen? Die hättest du mir abgenommen, wenn du deine scheiß Geschäftstermine in Washington selbst wahrgenommen hättest! So viel hattest du ja offensichtlich hier nicht zu tun, wenn du Zeit hattest, mir eine neue Assistentin vor die Nase zu setzen, ohne Rücksprache mit mir zu halten! ICH muss schließlich in Zukunft mit der Dame zusammenarbeiten, NICHT DU!!!“

„Nun halt aber mal die Luft an Gregory, das sollte ein Gefallen sein! Ich habe mit meinem guten Freund King gesprochen und ihm bloß erzählt, was hier los ist, weil du in D. C. bist und Miller zum Monatsende geht. Daraufhin hat er mir gesagt, eine seiner fähigsten Angestellten hätte ebenfalls gekündigt. Sie ist wohl von den anderen weiblichen Angestellten gemobbt worden, weil sie ausgesprochen klug ist und daher von den Partnern die wichtigsten Arbeiten zur Erledigung bekommen hat. Blablabla, du weißt ja, wie neidische Weiber sein können. Also hab ich sie herbestellt und sie hat mich mit ihrem Fachwissen sehr überzeugt. Du weißt, dass soll bei mir was heißen! Lern' sie doch erst mal kennen! Wenn du sie nach der Einarbeitungszeit dann für unfähig hältst, dann muss sie eben wieder gehen.“

Gregory schnaubte verächtlich. Das war die so typische melodramatische Taktik der Familie Brody. Immer schön auf sein Gewissen abzielen. John wusste ganz genau, dass Greg nicht der Typ war, der ohne Weiteres so locker dafür sorgte, dass ein neues Firmenmitglied einfach wieder gefeuert wurde.

Er würde also zunächst die Füße stillhalten und die gute Ms Johnson und ihre Fähigkeiten in Augenschein nehmen. Dann würde er sich das Urteil von Mrs Miller anhören, denn die arbeitete sie schließlich ein und hatte eine gute Menschenkenntnis. Wenn dann Hopfen und Malz verloren waren, konnte er sich immer noch das Hirn zermartern.

Nachdem Greg, der es wieder nicht über sich gebracht hatte, am vergangenen Wochenende mit seiner Frau zu sprechen, dem alten Brody mit noch schlechterer Laune, als er sie ohnehin schon hatte, die Ereignisse in Washington geschildert hatte, war er nun in Eile, zu seinem Büro zu kommen.


Es war mittlerweile 10 Uhr durch und er hatte noch keinen Kaffee gehabt, da er gleich zu Dienstbeginn die Berichterstattung bei Brody hinter sich bringen wollte. Dann war er zu geladen gewesen, um das Angebot von Johns Assistentin, sie würde ihm einen Kaffee kochen, anzunehmen. Schnellen Schrittes wuselte er jetzt durch die Korridore, fuhr ein Mal mit dem Lift und hatte dann endlich seine Etage erreicht. So aufgebracht der Jurist auch war, er platzte schier vor Neugierde! Wollte er doch trotz alledem endlich wissen, wen sein Herr Schwiegervater barmherzigerweise für ihn eingestellt hatte. Nur noch wenige Meter, dann würde sich zeigen, mit wem er es ab sofort zu tun hatte.
Auf dem Flur hörte er bereits die Stimmen von Mrs Miller und die einer anderen Frau, Ms Johnson seiner logischen Schlussfolgerung nach.

Er blieb kurz stehen, atmete tief ein und aus, in der Hoffnung, sein Ärger würde verfliegen, denn die Neue konnte schließlich nichts dafür, dass Brody ein Idiot war! Als er seine Emotionen wieder im Griff zu haben glaubte, betrat er das Office seiner Assistentin und war mit einem Schlag völlig perplex, fühlte sich auf eine seltsame Art und Weise schachmatt gesetzt.

Konnte es so was geben? Er hatte Mühe ruhig zu bleiben, als er in die Damenrunde grüßte: „Guten Morgen...“

„Guten Morgen Mr Preston, da sind Sie ja! Ich hoffe, in Washington hat alles geklappt!“ Mrs Miller sprang auf und zog Lorena an der Hand hinter sich her: „Das wird meine Nachfolgerin! Darf ich vorstellen, Lorena Johnson“, dann machte sie eine bedeutungsschwangere Pause, „Brody hat sicher schon gebeichtet?“

Das 'gebeichtet' hatte einen äußerst sarkastischen Unterton, kannte sie John Brody doch auch nur zu gut.

Das wiederum quittierte Greg im Geiste mit einem Grinsen, ging allerdings nicht weiter darauf ein, wollte er doch seiner künftigen Mitarbeiterin nicht das Gefühl geben, sie sei unerwünscht. Stattdessen hielt er Lorena die Hand hin und hieß sie bei Brody Inc. willkommen. Außerdem versuchte er, so unauffällig wie möglich, durch ruhige Atmung seinen Herzschlag zu kontrollieren.

Er konnte es nicht fassen, dass diese Frau es schaffte, ihn derart aus der Fassung zu bringen. Gleichsam konnte er sich nicht erinnern, wann ihm jemals ein so schönes Geschöpf begegnet war. Sogar das schlechte Gewissen in Bezug auf seine Frau blieb aus. Angela, wer zur Hölle war Angela???

Diese Lorena Johnson war locker einen Kopf kleiner als er und das sollte bei seinen 1,70 m schon was heißen. Sie war außerdem sehr zierlich und hatte trotzdem sinnliche, weibliche Kurven. Ihr dunkelbraunes Haar ging ihr bis knapp unter die Brust und war leicht stufig geschnitten. Ihr Gesicht war ausdrucksstark mit großen dunkelbraunen Augen, die beinahe schwarz wirkten und vollen, schön geschwungenen Lippen. Außerdem hatte sie ein bezauberndes Lächeln und strahlte in ein paar Minuten so viel Wärme aus, wie besagte Ehefrau in den letzten fünfzehn Jahren nicht.

Aus irgendeinem Grund war er plötzlich nicht mehr wütend auf den alten Herrn, dass er sie eingestellt hatte...

---

Lorena hingegen war ebenfalls komplett aus dem Konzept. Sie hatte eigentlich keine Vorstellung von Gregory Preston gehabt, aber DAS hatte sie nun auch nicht erwartet.
Vor allen Dingen nicht nach der Begegnung mit dem unsympathischen alten Mann, der sie eingestellt hatte. Der ging nach ihrem Geschmack gar nicht und sie war sich sicher, bei Weitem nicht die Einzige in diesem Raum zu sein, die so dachte. Hatte Hannah Miller doch auch schon durchblicken lassen, dass Preston den miesepetrigen Brody am liebsten auf den Mond schießen würde. Wie auch immer, als sie vor Greg Preston stand und er sie begrüßte, hoffte sie, er würde ihr Herz nicht schlagen hören können. Er sagte etwas zu ihr, aber sie war schlicht geistesabwesend und starrte ihn bloß an.

Seit wann in Gottes Namen gab es so appetitliche Juristen auf diesem Planeten? Er hatte ein völlig makelloses Gesicht mit weichen Zügen und dieses erhabene Profil mit dem leicht gewölbten Nasenrücken, was sie bei Männern so anziehend fand. Außerdem die schönsten Augen, die sie je gesehen hatte, sein Blick war auf nicht unangenehme Weise durchdringend. Fast schien es so als könne er direkt in ihre Seele blicken. Die schwarzen Haare ließen das intensive Grün seiner Iris noch mehr leuchten. Dazu kam dieses warmherzige, charismatische und zugleich unverschämt charmante Lächeln. Er war außerdem nicht sehr groß, was für sie, mit ihren 1,56 m von Vorteil war und obwohl er sehr schlank war, wirkte er nicht dürr.
Irgendwie wirkte er mehr wie ein Rock- oder ein Filmstar, nicht wie ein schnöder Rechtsverdreher. Sie war fasziniert von ihrem Gegenüber und fragte sich, wie sie sich in Zukunft auf ihre Arbeit konzentrieren sollte, wenn sie SO einen Chef hatte.
Dann fiel es ihr ein: Er ist verheiratet, hatte Hannah erwähnt, DAS sollte wohl als Abkühlung genügen.

---

Mike rutschte ungeduldig auf dem Barhocker hin und her. Er und Greg hatten sich in ihrer
Stammbar auf ein Bier nach der Arbeit getroffen. Gregory hatte ihm bereits von den Neuigkeiten aus der Firma berichtet, ließ sich aber in Bezug auf Einzelheiten zu seiner neuen Angestellten jedes Wort aus der Nase ziehen: „Ja und? Was hast du nun für 'nen Eindruck von der Johnson?“

„Och, ich warte mal die Einarbeitungszeit ab. Hab eben noch mit Mrs Miller gesprochen und die war nach nur zwei Tagen schon hin und weg. Im Moment bin ich also guter Dinge, dass seine Durchlaucht nicht noch 'ne Assistentin für mich einstellen muss.“ Greg hatte unentwegt seine Flasche Corona angestarrt und am aufgeweichten Etikett rumgepult, während er bemüht war, so beiläufig wie möglich zu klingen. Er hoffte inständig, Mike genügend mit Infos zur neuen Mitarbeiterin gefüttert zu haben, und dass er ihn mit dem Thema Lorena Johnson ab jetzt in Ruhe lassen würde. Doch weit gefehlt...

„Preston, du unterschlägst Infos!“ Michael hatte Lunte gerochen, obgleich er nicht sicher war, weswegen. Aber er beschloss, den kleinen schwarzhaarigen Mann auf dem Hocker neben ihm ins Kreuzverhör zu nehmen.

Der Angesprochene sah entgeistert auf und zog die rechte Augenbraue hoch: „Was meinst du?“

„Was meinst du, fragt der mich“, der Blonde schüttelte entgeistert sein Haupt und schnalzte mit der Zunge“, du bist mit den Gedanken woanders, du grinst dümmlich, weichst mir aus und tust 'ne Spur zu lässig, Gregy-pie! Da ist was im Busch und ich will wissen, was!“

„Du spinnst.“ Gregory winkte ab und nahm dann einen großen Schluck Bier.

„Nein, ich bin Anwalt und daher kann man mir nichts vormachen.“ Michael plusterte sich wie ein stolzer Pfau auf und auch, wenn ihm nicht danach zumute war, musste Greg lachen.

Das war so typisch Mike! Dann beschloss er, die Beichte abzulegen. Er hatte eh das Gefühl, er würde platzen, wenn er's nicht täte. Und Michael Kensington, der war zwar ein Lebemann und Schürzenjäger, dem die Frauen nur so hinterher rannten, aber etwas anderes war er auch: Ein wirklich loyaler bester Freund, auf den er sich immer hatte verlassen können, und der Dinge für sich behalten konnte.

„Sie ist der Hammer...“ Gregory, der immer noch das Etikett abzupitteln versuchte, sagte das mehr zu sich selbst, Mike unterdessen wäre fast das Bierglas aus der Hand gefallen.

„Wer? Wieso?“ Der blonde, hochgewachsene Mann sah ihn an wie einen Alien.

Greg verdrehte die Augen: „Lorena Johnson, du Pappnase.“

„Du erzählst mir gerade, dass du sie heiß findest?“ Michaels Augen hatten inzwischen die Größe von Untertassen.

„Ja das tu ich wohl, auch wenn es das nicht ganz trifft.“

„Sondern?“ Der Scheidungsanwalt trommelte ungeduldig mit den Findern auf dem Tresen herum.

„Sie ist viel mehr als alles, wovon ich je zu träumen gewagt hätte... Ich weiß, das klingt verdammt kitschig, aber ich wünschte, die hätte mir vor all den Jahren in der Boutique den Anzug verkauft.“

„Wow“, Mike atmete tief aus, bevor er weitersprach, „du hast dich verliebt, auf den ersten Blick gleich noch dazu.“ Wieder schüttelte er den Kopf: „Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals so richtig verknallt warst. Klar, du warst scharf auf einige und hast die auch mitgenommen, aber so richtig verliebt?“

Greg schnaufte bloß und zog die Schultern hoch: „Und jetzt?“

„Jetzt erzählst du mal von Anfang an.“

Das tat Gregory, was blieb ihm auch anderes übrig und als er geendet hatte, wirkte er reichlich resigniert.

Michael wusste zunächst nicht, was er sagen sollte, doch dann platzte es aus ihm heraus: „Lass dich endlich von dieser Hexe scheiden! Du hast es verdient, endlich glücklich zu sein und dein Leben zu leben!!! Wer weiß, warum das Schicksal dir Lorena vor die Nase gesetzt hat!“

„Schicksal?“ Greg schaute seinen besten Freund ungläubig an.

„Jawohl! Schicksal! Glaubst du, du bist der Einzige, der unter Alkoholeinfluss kitschigen Kram von sich geben kann?“ Mike zwinkerte und prustete lauthals los.

Erst stimmte Gregory mit ein, aber dann wurde er plötzlich nachdenklich. Verdammt, Michael hatte ja recht: So konnte und wollte er nicht weitermachen! Unter keinen Umständen...
Benutzeravatar
Stiekel
Eifriger Schreiber
Eifriger Schreiber
Beiträge: 1051
Registriert: Dienstag 11. Januar 2011, 19:43
Kontaktdaten:

Re: Everything Changes - Liebesromanze

Beitrag von Stiekel »

Liebe FloatingHereTooLong ,

sag mal, hast du auch einen Vornamen, mit dem ich dich anreden kann?
Mit diesem Nick komme ich nicht klar, da ich des englischen nicht mächtig bin.

Deiner Romanze bin ich bis hierher gefolgt. Jetzt warte ich auf die nächsten Kapitel.
Mal sehen, wie es weiter geht, muss die Familie erst besser kennenlernen, um urteilen zu können.

Lieben Gruß von Sabine und eine Gute Nacht
Bild

Nur wer sich selber liebt ist fähig,
auch andere zu lieben.
Benutzeravatar
FloatingHereTooLong
Neugierig
Neugierig
Beiträge: 8
Registriert: Samstag 9. November 2013, 12:43

Re: Everything Changes - Liebesromanze

Beitrag von FloatingHereTooLong »

Hallo Sabine,

Danke für deine Rückmeldung! Ich hoffe, Greg und Lorena können dich überzeugen. :-)

Viele Grüße,
Heike
Benutzeravatar
FloatingHereTooLong
Neugierig
Neugierig
Beiträge: 8
Registriert: Samstag 9. November 2013, 12:43

Re: Everything Changes - Liebesromanze

Beitrag von FloatingHereTooLong »

Kapitel 3 - 5


You don't care about us


Gregory saß in einer ruhigen Ecke ihres Restaurants. 'Ihres' war in dem Fall auf Angela und ihn gemünzt, denn hier hatten sie ihr erstes Date gehabt. Vor ein paar Jahren hatte der Koch gewechselt und seither fand Greg das Essen einfach grauenvoll! Von seinem Stammitaliener Luigi wollte wiederum Angela nichts wissen, denn Luigi war ein Freund von Greg und mochte sie nicht sonderlich.

Es war ein Montag und die erste Woche der Einarbeitung einer gewissen Lorena Johnson somit bereits verstrichen. Sie schlug sich in der Tat grandios, auch aus objektiver Sicht, so fand er! Und schon war er mit seinen Gedanken wieder ganz weit weg, bei ihr und er hatte, wie so oft, eigentlich keine Lust hier zu sein, doch er konnte seiner Frau, auf die er nun seit einer geschlagenen drei viertel Stunde wartete, nicht ständig einen Korb geben. Da Madame sich auch nicht bequemte, ihr Handy einzuschalten, hatte er keine Chance zu erfahren, was mit ihr war. Die Tatsache, dass ihm das im Grunde relativ egal war, erschreckte ihn dann allerdings doch ein wenig.

„Entschuldige die Verspätung, in der Boutique war die Hölle los und mein Akku war leer. Ausgerechnet heute hatte ich mein Ladekabel vergessen.“ Angela kam gehetzt auf ihn zugestürzt, drückte ihm dann außer Atem einen Kuss auf seine zusammengepressten Lippen und setzte sich ihm gegenüber. „Ich hoffe, du hast dir keine allzu großen Sorgen gemacht!“

„Von 'nem anderen Telefon aus hättest du nicht anrufen können?“ Er hörte sich das zwar sagen, aber richtig bei der Sache war er nicht. Stattdessen nahm er einen Schluck von dem guten Roten, wenigstens der war italienisch.

„Von meinen Mitarbeiterinnen hat niemand deine Nummer und auswendig kann ich sie nicht.“ Angela wirkte pikiert.

„Das überrascht mich jetzt.“ Den Spruch hätte er sich eigentlich auch sparen können, aber er war müde und über alle Maße genervt.

Seine Frau atmete hörbar ein und aus: „Was ist dir denn schon wieder über die Leber gelaufen?“ Ihre Stimme klang schrill und sie wirkte unsicher.

„Ich hock hier seit fast einer Stunde rum, wie bestellt und nicht abgeholt und erreiche dich nicht! Ich hatte 'nen harten Tag und will in mein Bett! Wenn ich mir das an deiner Stelle geleistet hätte, wäre ich von dir nach Hause geprügelt worden!“

Er sah sie herausfordernd an, Konfrontationskurs auf ganzer Linie, er hatte keine Lust, seinen Ärger für sich zu behalten.

Angela schluckte und er spürte, dass sie alle Mühe hatte, ruhig zu bleiben. Doch statt der üblichen Gegenangriffe, um jeglicher Kritik von seiner Seite aus dem Weg zu gehen, schlug sie, ausgerechnet heute, wo er so kampflustig war, eine andere Taktik an.

„Greg, lass uns nicht streiten, bitte! Wir hatten wohl beide einen harten Tag. Wir essen jetzt gemütlich was und dann gehen wir nach Hause, okay?“ Sie sah ihn Mitleid erregend von unten nach oben an. „Und es tut mir ehrlich leid, dass ich dich so lange habe hier sitzen lassen. Entschuldige Baby.“ Sie griff über den Tisch und nahm kurz seine Hand.

Entgegen dem ersten Impuls, sie einfach wegzuziehen, ließ er Angela gewähren. Die sah ihn jetzt direkt an und in ihrem Blick war etwas Sehnsüchtiges und gleichzeitig etwas sehr Ängstliches. Sie musste spüren, dass er sich immer weiter von ihr entfernte, was sie wahrscheinlich weder wahrhaben wollte, noch konnte. Diese Angst in ihrem Gesichtsausdruck war nun auch das, was ihn runterkommen ließ. Er wusste, sie konnte gut und gerne Theater spielen, aber gerade war alles an ihr echt.

Er beschloss also, sie nicht weiter anzuherrschen, außerdem knurrte sein Magen. Quasi als Friedensangebot hielt Greg ihr seine Speisekarte hin: „Hier, ich hab mir schon was ausgesucht.“

Angela nickte erleichtert und nahm sie entgegen. Sie bestellten und seine ihm Angetraute berichtete von den Querelen des Tages. Er hörte jedoch nur mit einem Ohr zu. Während des Essens sprach dann keiner mehr ein Wort und Gregorys Gedanken schweiften immer wieder zu Lorena ab. Er konnte es nicht verhindern, nicht abstellen, aber ständig fragte er sich, was sie wohl gerade machte.

Als der Kellner schließlich die leeren Teller abräumte, bat Gregory ihn direkt um die Rechnung. Zehn Minuten später waren sie auf dem Heimweg.

---

Nachdem sie in ihrer Wohnung angekommen waren, hatte sich Greg ohne Umweg direkt im Bad verkrümelt und als er wieder herauskam, wäre er am Liebsten sofort wieder zurück unter die heiße Dusche geflüchtet: Angela hatte im Wohnzimmer Kerzen angezündet und chillige Musik eingeschaltet.

Sie saß auf der Couch und sah ihn flehend an: „Komm noch ein bisschen zu mir, die letzten drei Wochen habe ich dich kaum gesehen. Du fehlst mir...“

Innerlich stöhnte er auf, wollte er doch nur noch ins Bett. Er war auch viel zu erschöpft, um ihr ausgerechnet jetzt zu sagen, dass er das alles nicht mehr konnte und wollte. Vielleicht auch zu feige? Aber wie sagte man jemandem, dass man ausziehen und sich scheiden lassen will?

„Angela, bitte lass uns das verschieben. Ich will einfach nur noch schlafen.“

Er sah, wie ihre Augen feucht wurden und er wünschte, er hätte sich einfach fortbeamen können, in ein anderes Leben, weit weg von diesem hier, mit Lorena an seiner Seite... Unbeschwert und unkompliziert - ein frommer Wunsch, das wusste er selbst.

„Bitte...“ Ihre Stimme war nur noch ein weinerliches Flüstern.

Um des sprichwörtlichen lieben Friedens Willen ging Greg langsam Richtung Sofa und schwor sich gleichzeitig, am Wochenende, wenn sie ein wenig Zeit für sich hatten, reinen Tisch zu machen.

Im Moment hasste er sich dafür, dass er mit seinem Verhalten gerade wieder falsche Hoffnungen in ihr wecken würde, aber er hatte auch keine Kraft, sich jetzt all dem zu stellen. Als er sich neben sie setzte, lief ihr plötzlich ein ganzes Rinnsal an Tränen die Wangen herunter und er legte mechanisch den Arm um sie. Angela schmiegte sich Hilfe suchend an ihn. Sagen konnte er nichts, er fühlte sich nur unglaublich deplatziert. So saß er also einfach reglos da und wartete ab, bis sie sich beruhigt hatte.

Ehe er dann wusste, wie ihm geschah, hatte sie sich aufgesetzt und ihre Lippen zwängten ihm einen Kuss auf, den er schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr wollte. Während eine Hand begann sein Hemd aufzuknöpfen, wanderte die andere zwischen seine Beine, wo sie ihn zu massieren begann. Erst ließ er sie, doch dann ekelte er sich plötzlich schrecklich vor sich selbst und schob sie mit aller Macht von sich weg.

Das war zu viel für Mrs Preston, sie sprang atemlos und erneut weinend auf, und ehe er reagieren konnte, war sie mit seinem Bettzeug wieder da, was sie ihm verächtlich hinwarf.

„Hier, wenn du mich offensichtlich nicht in deiner Nähe ertragen kannst, dann wird’s dich ja nicht stören, heute Nacht auf der Couch zu schlafen.“ Sprachs und rauschte komplett außer sich zurück in Richtung Schlafzimmer, die Tür ließ sie geräuschvoll ins Schloss fallen.

„Ich bin ein feiges Arsch... Wie lange will ich mich noch drücken?“ Während er das zu sich selbst sagte, pellte er sich aus seinen Klamotten, blies die Kerzen aus, schaltete die Anlage ab, schüttelte sein Kissen zurecht und krabbelte unter die Decke. Er wusste schon nach fünf Minuten, dass sein Rücken ihn am nächsten Morgen mindestens genauso hassen würde, wie er sich gerade selbst. Die Müdigkeit ließ ihn dann doch noch nach einer Weile in einen unruhigen Schlaf fallen.

---

„Guten Morgen, Mr Preston.“ Lorena strahlte ihn an und für einen Moment fühlte er sich ein wenig besser. Angela hatte noch geschlafen, als er aus dem Haus gegangen war, da sie heute die Spätschicht in ihrer Boutique hatte. Greg fühlte sich einfach grauenvoll, abgespannt und sein Rücken schmerzte von der unbequemen Nacht auf dem Sofa, außerdem drohte sein Kopf zu zerspringen. Kein Wunder, sein Nacken war hart wie Stein. Um so mehr freute er sich gerade, Lorenas Gesicht zu sehen.

„Hi...“, weiter kam er nicht, denn Mrs Miller war gerade aus der kleinen Küche gekommen und blickte ihn besorgt an: „Mr Preston, geht’s Ihnen nicht gut? Sie sehen furchtbar aus.“

„Alles gut, hab nur schlecht geschlafen“, log er und sah zu, dass er in sein Büro kam. Er schaltete seinen PC an, ließ sich in das weiche Leder des Stuhles fallen und rieb sich die Schläfen.

Ein leises Klopfen an der halb geöffneten Türe ließ ihn aufblicken.

„Ich wollte nicht stören, ich dachte nur, Sie könnten einen Kaffee gebrauchen.“ Lorena kam mit einer dampfenden Tasse in der Hand auf seinen Schreibtisch zu und er lächelte dankbar: „Das kann ich wirklich! Vielen Dank!“

„Gerne. Dann wollte ich Ihnen noch ausrichten, dass Mr Hutchence den 10-Uhr-Termin gecancelt hat. Ihm ist was Wichtiges dazwischen gekommen, er lässt Sie grüßen und er wird sich heute Nachmittag telefonisch bei Ihnen melden.“

„Das kommt mir heute echt gelegen. Danke, Ms Johnson.“ Er war heilfroh, so würde er sich wenigstens nicht unter Menschen begeben müssen und konnte den ganzen Tag damit zubringen, über seinen Akten zu brüten. Noch während er das dachte, war die kleine Lady schon wieder verschwunden und hatte leise die Tür geschlossen.
Wenn sie eine furchtbare Nacht hatte, war sie schließlich auch froh, wenn sie morgens erst mal mit ihrem Kaffee ganz allein sein konnte. Mit diesem Instinkt lag sie goldrichtig.

---

„Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um den armen Kerl.“ Mrs Miller schüttelte den Kopf.

„Glaubst du, er ist krank?“ Lorena wusste nicht so recht, worauf die Frau neben ihr hinaus wollte.

„Nein, aber ich glaube, zwischen ihm und seiner Frau läuft es alles andere als rosig.“ Hannah sah Lorenas Blick und entschuldigte sich gleich darauf: „Tut mir leid, ich hätte das eigentlich nicht sagen dürfen.“

„Ich weiß, ich dürfte eigentlich auch nicht fragen, aber wie kommst du darauf?“ Lorena sah Hannah Miller gespannt an.

„Ich kenn' die Beiden schon so lange und ich dürfte das wieder nicht sagen, aber sie ist einfach... Also sie ist so ganz anders als er und ich finde, die passen nicht zusammen. Und wie oft kommt sie hier reingeplatzt und schreit ihn da drin an.“ Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung der doppelflügligen Türe.

Lorena sagte nichts mehr darauf. Er tat ihr leid, auch wenn sie die Tatsache, dass es in seiner Ehe kriselte, eigentlich hätte freuen müssen - sollte es denn wirklich stimmen, was Hannah ihr da gerade erzählt hatte. Und während diese ihr einige wichtige Dinge zu einem Vorgang erklärte, schweifte Lorena selbst immer wieder mit ihren Gedanken zu dem Mann im Nachbarbüro ab.





Useless


Greg starrte seit gut zwei Stunden den Inhalt einer Akte an und so sehr er sich auch bemühte, er schaffte es nicht, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Überhaupt war seine Gefühlswelt in einem völligen Ausnahmezustand.
Auf der einen Seite war seine Ehe für ihn gescheitert und er musste endlich einen sauberen Strich darunter ziehen, auf der anderen Seite konnte er nicht aufhören an eine gewisse Lorena Johnson zu denken, die da draußen sämtliche Informationen rund um ihren neuen Job in sich aufsog.

Er schüttelte den Kopf, als wolle er das Chaos an Gedanken loswerden, lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schloss einen Moment die Augen und atmete immer wieder tief ein und aus, während er sich die Schläfen massierte.

Das Klingeln seines Handys ließ ihn zusammenschrecken - routinemäßiger Blick aufs Display, dann nahm er den Anruf entgegen: „Hey Mike. Hätte mich eh noch gemeldet, hast du Zeit für Lunch nachher?“

„Tag auch! Du hörst dich an wie 'en Zombie.“

„Danke, genau so fühl' ich mich.“ Gregory seufzte abgrundtief, dann sprudelte es aus ihm heraus und er erzählte in allen Einzelheiten, was gestern zwischen ihm und Angela vorgefallen war. Zum Schluss zitterte seine Stimme ein wenig.

Mike schaltete sofort: „Greg, hast du noch wichtige Termine heute?“

„Nein, wieso?“

„Bin gleich bei dir.“

Bevor der Schwarzhaarige etwas darauf erwidern konnte, hatte Michael den Anruf schon beendet.

---

„Guten Morgen, die Damen.“ Eine Stunde später hatte der blonde Sunnyboy seine Drohung tatsächlich wahr gemacht und stand nun breit grinsend vor Lorena und Hannah.

„Hallo Mr Kensington, schön Sie mal wiederzusehen.“ Mrs Miller reichte ihm die Hand, „das ist meine Nachfolgerin, Ms …“

„Ms Lorena Johnson. Greg hat's mir erzählt.“ Michael grinste mittlerweile im Kreis und begrüßte die etwas überrascht wirkende junge Frau, natürlich nicht ohne sie eingehend in Augenschein zu nehmen. Der verehrte Mr Preston hatte also endlich ein Mal guten Geschmack bewiesen, wie er feststellen musste. Diese Lady war eindeutig eine andere Hausnummer, als die aktuelle Mrs Preston. Warm und herzlich, Greg hatte recht!

„Apropos Greg, ist er da drin?“

Hannah Miller nickte: „Ja und ich mache mir ernsthaft Sorgen um ihn.“

„Ich auch, deswegen bekommt er auch von mir für den Rest des Tages frei.“ Er versuchte ein freches Grienen, was jedoch zu einer schiefen Fratze mutierte.

„Wie schlimm ist es?“ Mrs Miller hatte überlegt, ob sie diese Frage stellen sollte, sie entschied sich dafür, weil sie wissen wollte, was los war.

„Ziemlich, denke ich...“ Der Scheidungsanwalt wusste, dass das Interesse von Gregorys langjähriger Assistentin echt war und deshalb befand er, dass sie eine ehrliche Antwort verdient hatte. Lorena durfte seiner Meinung nach ebenfalls wissen, dass die Ehe zwischen ihrem neuen Boss und dessen Frau wohl nicht mehr zu retten war!

Hannah Miller senkte traurig Kopf: „Das musste ja so weit kommen! Er hat was Besseres verdient!“

„Ihr Wort in Gottes Gehörgang“, der Blonde nickte zustimmend und fügte dann hinzu, „Ich
werde den Herrn jetzt mal von seinem Ledersessel pflücken gehen.“

Wie gesagt, so getan, er klopfte an die Flügeltüre und verschwand im Nachbarbüro.

---

Bevor Lorena, die inzwischen recht verwirrt drein schaute, fragen konnte, klärte Hannah Miller die junge Frau auf: „Das ist Mr Prestons bester Freund, die beiden stammen aus einem kleinen Südstaatenkaff. Die Familien der beiden sind schon ewig befreundet und sie sind wie Brüder aufgewachsen. Kensington hat auch Jura studiert, sie waren zusammen in Harvard und sind schlussendlich in New York gelandet. Kensington ist Teilhaber einer gut gehen Kanzlei an der Upper East Side.“

„Mrs Preston muss wohl ein Biest sein? Sein bester Freund scheint sie regelrecht zu hassen.“ Lorena zählte eins und eins zusammen.

Hannah nickte wieder, und bevor sie antworten konnte, kamen die beiden Juristen aus dem angrenzenden Office heraus.

„Jetzt sagen Sie nicht, Sie haben Mr Preston wirklich und wahrhaftig zum Überstunden- Abbau bewegen können?“ Gregs Assistentin war erstaunt.

„Unglaublich aber wahr!“ kam die prompte Antwort des Angesprochenen.

„Kommen Sie heute Nachmittag ohne mich klar?“ Gregory wirkte etwas unsicher, war es doch unüblich für ihn, dass er einfach so die Arbeit abbrach.

„Natürlich, gehen Sie nur, wir halten die Stellung!“ Mrs Miller sah ihn aufmunternd an und ihre Nachfolgerin konnte nur nicken.

„Wenn was sein sollte, ich bin über Handy erreichbar.“

„Jaja, Gregy-pie und nun komm'!“ Michael zerrte den kleinen Mann hinter sich her und der hatte keine andere Wahl, als sich geschlagen zu geben.

Trotz der unschönen Hintergründe mussten die Frauen über den Abgang der Herren Kensington und Preston schmunzeln.

„Bevor du fragst, ja, die sind immer so“, Hannah lachte und fügte dann hinzu: „Ich nenne sie liebevoll Pat und Patachon.“

Die kleine Lady hätte auf diese Info hin fast ihr Wasser, von dem sie gerade einen Schluck nahm, vor Lachen wieder ausgespuckt: „Wissen die davon?“

Die ältere der Damen grinste diebisch: „Und ob!“

---

Da Gregory Preston keinen Appetit hatte, waren die beiden Männer in einem gemütlichen Coffeeshop gelandet und hatten sich eine weniger stark frequentierte Ecke gesucht.
Eine Zeit lang rührten sie wortlos in ihren koffeinhaltigen Getränken herum und hingen einfach ihren Gedanken nach.

Mike brach nach einer Weile das Schweigen: „Greg, mach Schluss! Heute noch!“

„Und wie? Sie weicht mir ja immer aus, und auch, wenn sich das jetzt egoistisch anhört, aber wie soll es dann weitergehen? John wird mich auf die Straße setzen und..., und dann? Dann bin ich obdachlos UND arbeitslos.
Das heißt nicht, dass ich es vorziehe, aus reiner Bequemlichkeit bei Angela zu bleiben, ich kann mich nur nicht erinnern, wann mir zuletzt der Arsch so auf Grundeis gegangen ist! Im Moment steh' ich vor diesem riesen Berg und seh' den Weg nicht. Ich hab echt Schiss! Ich hab eine scheiß Angst!“ Greg ließ sich mutlos in die dicken Polster der Sitzbank sinken und schaute wehmütig aus den bodentiefen Fenstern hinaus auf die Straße, wo das Leben pulsierte...

Michael war dieses Mal der, der seufzte, dann legte er eine Hand auf die Schulter seines besten Freundes und brachte ihn so wieder dazu, ihn anzusehen, dann sprudelte er los: „Ich kann dir das zwar nicht nachfühlen, weil ich noch nie in einer solchen Situation war, aber verstehen kann ich es dennoch!
Greg obdachlos und arbeitslos wirst du bestimmt nicht!
Erstens: Du weißt, ich bin Teilhaber einer Kanzlei und uns fehlt noch wer, der in Wirtschaftsrecht so fit ist wie du. LASS MICH AUSREDEN! Das ist ein Jobangebot, weil du gut bist, weil du einer der Besten bist, und weil du unsere Kanzlei fachlich und menschlich komplettieren würdest! Ich mache dir dieses Angebot nicht, weil ich finde, dass du ein Almosen nötig hättest!
Zweitens: Du findest auch schnell 'ne Wohnung, und bis dahin hab ich ein Gästezimmer für dich frei! Greg, seit ich denken kann, bist du für mich da, hältst meine Hand, tröstest mich bei meinen diversen Frauengeschichten und ziehst mich immer wieder aus der Scheiße, die ich in meiner Naivität hin und wieder verzapfe. Nun lass mich einmal DIR helfen! Ich bin für dich da! Du bist wie ein Bruder für mich und ich werd' dich bestimmt nicht dem Höllenkommando überlassen. Wir stehen das durch – zusammen! P-U-N-K-T!“

Gregory stand inzwischen das Wasser in den Augen, krampfhaft versuchte er, es aufzuhalten, aber er war zu müde, zu ausgelaugt. Michael gab ihm einen Moment, damit er sich fangen konnte.

Das schwarzhaarige Häufchen Elend nahm schließlich einen Schluck von dem mittlerweile nur noch lauwarmen Kaffee und gab seinem besten Kumpel dann mit zittriger Stimme die noch ausstehende Antwort: „Also gut, ich sag's ihr... Ich werde es verflucht noch mal nicht mehr aufschieben, sondern ich werde es ihr nachher sagen, eine Tasche packen und dann zu dir kommen. Und dann... Scheiße, werd' ich dann wohl sehen...“

Mike klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter und hoffte inständig, Gregory würde diesmal tatsächlich ernst machen: „Das wird schon! Wäre doch gelacht, wenn die Familie Brody uns klein kriegt! Schaffen die nicht!“

Gregory schickte im Stillen ein paar Stoßgebete gen Himmel, Michael möge recht damit haben. Eines wusste er aber mit Sicherheit: Er würde die Konfrontation mit Angela nicht mehr weiter hinauszögern! Er musste es ihr sagen! Je eher, desto besser!




Cleaning out my closet



„Darling, ich bin im Wohnzimmer!“

Greg war versucht, auf der Stelle kehrt zu machen, als er Angelas Geflöte hörte, nachdem er die Wohnungstüre hinter sich ins Schloss hatte fallen lassen. Sein ganzer Körper vibrierte vor Anspannung und er wollte es einfach nur noch hinter sich haben.

Was ihn gerade verwunderte, war ihr zu versöhnlich geratener Ton. Gestern Nacht hieß es für ihn noch Couch und heute war er wieder ihr Darling. Irgendwas passte für ihn nicht ins Bild. Er atmete tief durch und setzte dann seinen Weg fort. Als er schließlich das Wohnzimmer betrat, drehte sich ihm der Magen um: Angela in offensichtlich neuer Wäsche, wieder nur Kerzen und kuschelige Musik. Er fühlte sich wie im falschen Film.

„Angela zieh dir bitte was an, wir müssen reden.“
Im ersten Moment war er über seine plötzliche innere Ruhe verblüfft, dann aber erleichtert, dass er den Stein gerade ins Rollen gebracht hatte. Für ihn stand fest, dass er sich nicht von seiner Frau trennen würde, während sie in Dessous vor ihm stand, obwohl das bestimmt einen filmreifen Auftritt abgeben hätte.

Mrs Preston war gerade jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen und er konnte partout nicht einschätzen, wie sie jetzt reagieren würde. Allerdings musste er auch nicht lange auf ihre Antwort warten: „GREGORY PRESTON! BIST DU ÜBERGESCHNAPPT? Ich gebe mir hier Mühe, damit wir uns versöhnen und einen schönen Abend haben, kaufe extra noch heiße Wäsche und DU knallst mir so ne SCHEIßE an den Kopf! Aber das ist ja nichts Neues, ich...“

„HALT DIE KLAPPE ANGELA!!!“ Schnitt er ihr jetzt mit ebenfalls erhobener Stimme das Wort ab und wenn er das gerade richtig deutete, verlor sie komplett die Beherrschung. Sie stürmte an ihm vorbei und verschwand ins Schlafzimmer, er hörte Schranktüren fliegen.

Da er eine Ahnung hatte, was sie vorhatte, schnappte er sich einen der Esszimmerstühle, ging damit in den Flur, stellte das massive Sitzmöbel direkt vor die Eingangstür der Wohnung und nahm darauf Platz. Diesmal würde sie nicht vor ihren Problemen davon laufen können!

Während Greg weiter den wütenden Geräuschen aus ihrem einst gemeinsamen Schlafgemach lauschte, versuchte er sein schlechtes Gewissen zu unterdrücken. Eigentlich verhielt er sich wie ein Arsch, wenn man mal ehrlich war, aber sie hatte sich all die Jahre auch wie eins verhalten. Er kontrollierte weiter seinen Atem und war mit einem Mal auf eine perfide Art und Weise auf ihren Gesichtsausdruck gespannt, wenn sie Richtung Wohnungsausgang stürmte und ihn da lässig sitzen sah.

Sie war nur circa fünf Minuten im Schlafzimmer gewesen, Greg kam es vor wie ein Jahrhundert oder sogar zwei.
Als er sie herauskommen hörte, spannten sich alle Muskeln an, die sein Körper aufwarten konnte. Und hätte er zu diesem Zeitpunkt nicht wieder komplett unter Strom gestanden, so hätte er den Anblick, der sich ihm bot, tatsächlich schadenfroh genießen können.

Angela kam in den Flur gerauscht und blieb dann wie vom Donner gerührt stehen, noch nicht mal mehr fähig, etwas zu sagen, als sie ihren Mann da hocken sah. Die Verblüffung in ihrem Gesicht war schlicht einmalig. Ein weiterer Vorteil dieser Aktion: Seine Noch-Frau konnte mit solchen Überraschungsmomenten nicht wirklich gut umgehen, er kam also zu Wort: „Angela, ich bin es leid! DAS hier! Hörst du??? Und du wirst ein Mal hier bleiben, nicht flüchten und nicht mit Hasstiraden und Vorwürfen um dich schlagen, sondern MIR zuhören! Verstanden?“

Ein perplexes Nicken aus ihrer Richtung. Eine andere Option bot sich der entgeisterten Frau schließlich auch nicht - die Sitzblockade hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Warum waren ihm solche Ideen nicht schon früher gekommen? War er so festgefahren gewesen in seiner Angst, dass er alles hingenommen hatte? Dass er ihr außer halbherzigen Meckerattacken nichts entgegengesetzt hatte? Er fühlte sich ziemlich armselig, als ihm das bewusst wurde, verdrängte es aber, denn er musste jetzt zu 200 % da sein!

Dann passierte etwas, womit Gregory wiederum nicht gerechnet hatte, seine Frau sackte vor ihm auf dem Boden zusammen und fing an zu heulen, was ein surrealer Anblick war. Außerdem sah er zwar ihre Verzweiflung, aber gleichsam auch ihre Berechnung. Er war sich nicht sicher, ob seine Taktik nun die Richtige war, aber zu verlieren hatte er nichts mehr.

„Angela, ich will die Scheidung! Ich packe jetzt meine Sachen und gehe zu Mike. Ich werde mir eine eigene Wohnung suchen und ich werde die Scheidung einreichen!“

Es war getan, er hatte es endlich ausgesprochen und ihm fiel in diesem Augenblick eine tonnenschwere Last von den Schultern. Wenn er recht darüber nachdachte, hätte er schon viel früher aus seinem Hamsterrad aussteigen können, aber er war tatsächlich einfach nur feige gewesen. Dafür hasste er sich! Hatte ihn sein Vater nicht gelehrt, sich selbst treu zu bleiben, authentisch zu sein? Greg fühlte sich wie ein elendes Nichts, ermahnte sich aber ein weiteres Mal, jetzt nicht in ein Loch zu fallen und schlicht das Richtige zu tun.

Wie auf Kommando waren auch Angelas Tränen versiegt und der Blick, mit dem sie ihn anschaute, der war wirklich die pure Verzweiflung - es ging ihm durch Mark und Bein.

Dann sprach sie beinahe im Flüsterton: „Ich wusste es die ganze Zeit ... Ich hab' alles getan, damit du mich nicht verlassen kannst und nun hab' ich versagt. Greg, du bist alles, was ich habe ... Geh nicht ... BITTE! Ich kann nicht leben ohne dich! Verlass' mich nicht, Gregory, ich liebe dich doch ...“

„Angela, was bringt es, wenn wir zusammenbleiben? Sag mir das! Wir haben nichts mehr gemeinsam! GAR NICHTS! Genau genommen hatten wir das eigentlich nie. Es fängt schon bei Kleinigkeiten an: Du hasst die Musik, die mir gefällt, die meisten Filme, Bücher und beinahe alle sonstigen Interessen. Umgekehrt genau so. Wir leben nebeneinander her und keiner hat dem anderen was zu sagen. Noch nicht mal im Bett waren wir je wirklich einer Meinung. Wir gehen genervt und ungerecht miteinander um, und ich kann so nicht weitermachen und du auch nicht, wenn du ehrlich bist.“

Seine Frau, die immer noch auf dem Boden kauerte, fing wieder hysterisch an zu schluchzen und es war keine Berechnung mehr, es waren echte Tränen. Sie wusste, sie hatte ihn verloren. Gregory brach, trotz allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, in diesem Moment das Herz in tausend Stücke und er spürte einen harten Klos im Hals. Vom Stuhl war er schon aufgestanden, als Angela sich auf den Boden hatte fallen lassen, jetzt ging er zu ihr, bückte sich zu dem wimmernden Etwas hinunter, doch seine Hände wurden harsch weggeschlagen. Sie sprang auf, griff nach ihrer Tasche, rannte Richtung Tür, doch anstatt einfach zu türmen, blieb sie dann doch noch mal kurz stehen, wand sich um und sagte mit tränenerstickter Stimme: „Ich geh' zu Meredith... Wenn ich wieder komme, dann bist du weg... Ich ertrage es nicht, mit ansehen zu müssen, wie du mich verlässt.“ Und damit ging sie.

Greg hatte das alles gerade extrem mitgenommen hatte, er stand wie angewurzelt im Flur und wusste nicht, wohin mit sich. Schließlich lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand, ließ sich daran herunterrutschen und blieb dann zusammengerollt auf dem Boden sitzen. Tränen begannen sich unnachgiebig ihren Weg zu suchen, die Anspannung fiel von ihm ab und ließ ihn machtlos zurück.

---

Er hatte etwa eine viertel Stunde schluchzend da gehockt, als er sich endlich schwermütig aufraffte, seine Glieder fühlten sich bleiern an. Er holte sein iPhone, wählte unter seinen favorisierten Kontakten einen gewissen Michael Kensington aus und aktivierte somit den Anruf. Es dauerte keine zwei Sekunden und sein bester Freund nahm an.

„Mike? Ich brauche ein Zimmer für die nächsten Nächte...“ Greg kam das alles so vor, als würde er neben sich stehen und sich selbst beobachten. Seine Stimme bebte immer noch.

„Du hast es ihr gesagt?!“ Michael klang wie ein aufgeregter kleiner Schuljunge.

„Ja... Sie ist gerade rüber zu Meredith, und ich will nur noch meine Sachen packen und hier verschwinden.“

„Gib mir zwanzig Minuten, dann bin ich bei dir!“

Erwidern konnte Gregory wieder nichts mehr, denn Mike hatte schon aufgelegt.

Da er gerade nicht mehr fähig war zu denken, handelte er bloß noch instinktiv – er würde die nächsten Stunden einfach funktionieren müssen! Planlos begann er damit, recht unachtsam alle persönlichen Sachen aus den Schränken der Wohnung zu zerren. Das Meiste, was er an eigenem Hab und Gut hatte, befand sich im Gästezimmer, wo er auch einen kleinen Arbeitsplatz eingerichtet hatte – sein Rückzugsort. Er hörte erst auf, in jedem Raum Zeug auf dem Boden anzuhäufen, als es an der Türe klingelte.

Greg drückte einfach auf und staunte dann nicht schlecht, als Mike mit zwei gemeinsamen Freunden, Bill und David, aus dem Aufzug stieg.
Die drei Männer waren bepackt mit leeren Umzugskartons.

„Was…?“ Der Schwarzhaarige glaubte, seinen Augen nicht zu trauen.

David ergriff das Wort, während Mike den total verdatterten Gregory in die Arme schloss: „Glaubst du, wir lassen dich hängen, nachdem du bei jedem Scheiß für uns da warst? Ich hab' auch aus der Firma 'nen Sprinter klar gemacht, also sehen wir zu, dass wir dein Zeug hier raus kriegen, bevor die Hexe wiederkommt!“

„Wie habt ihr so schnell...? Ich meine...“

Michael grinste wie ein Honigkuchenpferd: „Mein lieber Greg Preston! Ich hatte gehofft, dass du diesmal Ernst machst, und hab alle 'vorgewarnt'. Dein Anruf war der Startschuss! Und nun pack' dein Zeug, reden können wir nachher bei 'nem kühlen Blonden!“

Gregory konnte nicht fassen, wie schnell alles ging. Seine Hälfte des Kleiderschranks war Ruck Zuck leer und auch seine Sachen im Bad waren schnell verstaut. Alles andere ging mit den beherzt anpackenden Herren auch äußerst zügig vonstatten und so viel hatte er gar nicht, stellte er leicht ernüchtert fest. Das Meiste waren Dinge, die Angela für sie beide angeschafft hatte. Das alles würde er ihr überlassen, ebenso wie die Wohnung und die komplette Einrichtung. Er hing an nichts und über die Jahre hatte er mit seinem überaus rentablen Gehalt mehr als genug gespart, um sich jetzt ohne Probleme neu einrichten zu können. Was für ihn am Wichtigsten war, alles würde seinen Geschmack widerspiegeln und nicht den seiner Frau. Zu guter Letzt raffte er sein MacBook, seine Kamera, sein Telefon und seinen iPod zusammen. Da war sein Leben drauf: Musik, Bücher, Fotos, und, und, und...

---

„Wie fühlst du dich, man?“ Mike blickte Greg über seine Bierflasche hinweg besorgt an.

„Ich weiß nicht ... Im Moment bin ich leer und außerdem fühle ich mich alt, uralt. Am Liebsten würde ich die nächsten Tage nichts anderes tun, als zu schlafen. Aber ich habe etwas beschlossen.“

„Nämlich?“

„Ich werde gleich meine Kündigung für Brody Inc. schreiben und die John morgen auf den Tisch knallen!“

„Das heißt, du nimmst mein Job-Angebot an?“ Michael war kurz davor, aufzuspringen und einen Freudentanz aufzuführen.

„Ja ... Aber eins musst du mir erklären. Warum erst jetzt? Versteh mich nicht falsch, dass soll kein Vorwurf...“

„Greg, halt die Klappe! Du müsstest wissen, dass du mir keine umständlichen Erklärungen zu liefern brauchst. Ich werde dir sagen warum: Du hättest es bis vor ein paar Wochen noch nicht annehmen können! Du und dein Stolz... Bei deinem Schwiegervater war das was anderes, aber du hättest UNSERE Freundschaft nicht für deine Karriere genutzt. Stimmt das oder hab ich recht?“

Gregory senkte beschämt den Blick: „Manchmal glaube ich, du kennst mich zu gut!“

„Gleichfalls!“

„Nur eines liegt mir in Bezug auf meine Kündigung schwer im Magen.“

„Lass mich raten: Lorena?“

Auch hier lag Mike goldrichtig mit seiner Vermutung, denn der schwarzhaarige Mann nickte nur betrübt und schaute ein weiteres Mal verlegen auf seine Füße.

„Für deine Assistentin lass' ich mir auch noch was einfallen, Mr Preston! Und jetzt bring ich dich in die Heia, du siehst aus wie 'ne Leiche auf Urlaub! Die Kündigung schreiben wir dir schnell morgen früh!“

Gregory sparte sich jeden Protest und eine Weile später lag er im Bett und sein Gehirn hatte Mühe damit, zu verarbeiten, dass all das hier real war. Jedoch kam er nicht lange zum Grübeln, denn die Anstrengungen der letzten Tage forderten kompromisslos ihren Tribut und er fiel in einen traumlosen Schlaf.
Benutzeravatar
Stiekel
Eifriger Schreiber
Eifriger Schreiber
Beiträge: 1051
Registriert: Dienstag 11. Januar 2011, 19:43
Kontaktdaten:

Re: Everything Changes - Liebesromanze

Beitrag von Stiekel »

Liebe Heike,

bin erst heute zum Lesen gekommen. Es fiel mir ehrlich gesagt, etwas schwer, durchzuhalten. Ich denke, man hätte es kürzer schreiben können. Vielleicht einige Nebensächlichkeiten nicht so in die Länge ziehen. Bin kein Fachmann in Kurzgeschichten, doch mich hat es nicht wirklich gefesselt. Nicht verzagen! Doch könnte ja sein, es kommt noch, wenn ich die Geschichte weiter lesen kann.

Liebe Grüße von Sabine
Bild

Nur wer sich selber liebt ist fähig,
auch andere zu lieben.
Benutzeravatar
FloatingHereTooLong
Neugierig
Neugierig
Beiträge: 8
Registriert: Samstag 9. November 2013, 12:43

Re: Everything Changes - Liebesromanze

Beitrag von FloatingHereTooLong »

Stiekel hat geschrieben:Liebe Heike,

bin erst heute zum Lesen gekommen. Es fiel mir ehrlich gesagt, etwas schwer, durchzuhalten. Ich denke, man hätte es kürzer schreiben können. Vielleicht einige Nebensächlichkeiten nicht so in die Länge ziehen. Bin kein Fachmann in Kurzgeschichten, doch mich hat es nicht wirklich gefesselt. Nicht verzagen! Doch könnte ja sein, es kommt noch, wenn ich die Geschichte weiter lesen kann.

Liebe Grüße von Sabine


Hallo Sabine,

diese Geschichte ist keine Kurzgeschichte, es soll eigentlich eine komplexe Geschichte mit Option auf eBook werden. Trotzdem danke für dein Feedback.

Viele Grüße,
Heike
Antworten