DAS EISHÄUSCHEN

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heuberger
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DAS EISHÄUSCHEN

Beitrag von heuberger »

EIN KÖNIGLICHES MISSVERSTÄNDNIS

Immer, wenn heute die Bundesversammlung den neuen Bundespräsidenten gewählt hat, so steht der Antrittsbesuch bei den deutschen Ländern als einer der ersten Punkte ganz oben auf seinem Arbeitsprogramm. Auch in früheren, vordemokratischen Zeiten, liefen die Amtshandlungen für das neue Staatsoberhaupt nach ähnlichem Muster ab. - So auch 1846: Karl, der junge Kronprinz des jungen Königreichs Württemberg hatte in St. Petersburg die Großfürstin Olga Nikolajewna Romanowa, die Tochter des Zaren von Russland, unter großem Pomp geheiratet. Der Empfang für das Paar im heimatlichen Stuttgart war äußerst herzlich gewesen. Olga, die anmutige Kronprinzessin und zukünftige Königin, hatte die Herzen ihrer neuen Untertanen im Sturm erobert. Sie sprach fließend deutsch, war allerdings damals der Feinheiten und gleichzeitigen Tücken dieser Sprache, und insbesondere der Dialekte, noch nicht so mächtig. Kurz gesagt: Sie verstand das Schwäbische noch nicht so gut - Gott sei Dank! So wusste sie auch nicht, dass ähnlich klingende Wörter, sogenannte Reimwörter, des öfteren aufs Glatteis führen. „Olga“ und „Wolga“ etwa klingen sehr ähnlich, haben aber eine grundverschiedene Bedeutung. (Erst, als später „Olga von der Wolga“ zu einem festen Begriff wurde, war klar, dass damit die Königin, durchaus respektvoll, gemeint war, auch dann, falls sie niemals die Wolga zu Gesicht bekommen hatte. Es klang einfach so vielversprechend exotisch.)
Noch verwirrender im Schwäbischen: Wenn es beim Tratschen über den neuen Dorfschulmeister hieß: „Der ischd vielleicht sogar schao Pfarrer g´wäa, s´hot g´hoißa, er häb a Gelibbde“, dann wissen wir bis heute nicht, ob er jetzt ein Gelübde abgelegt, oder bloß eine Geliebte hatte. So viel zu Reimwörtern und deren Verständlichkeit.
Also, wie bereits erwähnt, solcherlei sprachliche Fallen waren der Kronprinzessin Olga damals noch völlig unbekannt - nehmen wir an.

Bald startete das Prinzenpaar zu einer Rundreise durch die württembergischen Lande. Und so kam man auch nach Friedrichshafen, dem früheren Buchhorn, der einzigen württembergischen Stadt am Bodensee. Das ehemalige Kloster Hofen dort kam im Zuge der Säkularisation auf Umwegen an das Haus Württemberg und wurde zu einem Schloss umgebaut, der späteren Sommerresidenz der Könige. Königin Olga verbrachte hier später die meiste Zeit ihres Lebens und starb auch hier, 1892.
Aber zurück ins Jahr 1846, zum Antrittsbesuch des Kronprinzen-paares.
Zum offiziellen Besuchsprogramm gehörten unter anderem ein Empfang im Rathaus der Stadt, mit Eintragung ins Goldene Buch, dann der Besuch einer Brauerei, wo auch das Mittagessen eingenommen würde, und als Abschluss der Besuch auf einem typisch schwäbischen Bauernhof , damit das künftige Königspaar auch die Lebensumstände seiner Untertanen näher kennen lernen konnte.

Als „Fremdenführer“, der dem hohen Paar die Stadt zeigen und erklären sollte, war der Schultheiß der Stadt vorgesehen, vermutlich Karl Schubart, ein äußerst fähiger Mann, der es glänzend verstand, die Stadt zum Wohle der Bürger zu verwalten, und gleichzeitig bei der Obrigkeit den Eindruck höchster Loyalität zu vermitteln. Er war bewundert und gefürchtet, auch in der Hauptstadt des Königreichs, als ein Politiker, der für Gerechtigkeit kämpfte, und der sich auch von Einschüchterungsversuchen durch höhere Beamte nicht im geringsten beeindrucken ließ. Dazuhin kam auch noch seine sprachliche Ausdrucksweise, der die Leute bei Hofe mit ihrem schwachbrüstigen höfischen Sprachstil nichts entgegenzusetzen hatten. Er aber konnte damit die Höflinge mit zartem Gemüt glatt an die Wand fahren. Selber hätte er sich vermutlich als einen Menschen bezeichnet, der so redete, wie ihm halt der Schnabel gewachsen sei. Andere wiederum sahen ihn wohl realistischer, wenn sie seine Ausdrucksweise schlichtweg als vulgär beschrieben.
So ist es verständlich, dass er gerne als „der Löwe vom Bodensee“ bezeichnet wurde, hierin ein Vorbild für manch anderen, späteren, schwäbischen „Löwen“, deren Andenken noch heute zu Recht in ihren Dörfern gepflegt wird.
Dazu kommen noch ein paar Eigentümlichkeiten der schwäbischen Sprache, die der Erklärung bedürfen. So wird unter den Alten eine Begrüßung auf der Straße zumeist eingeleitet mit einem Hinweis auf die Tätigkeit des Begrüßten. Wenn man jemanden bei der Gartenarbeit antraf, so sagte man: „So, duad ma au gärtla?“ (= So, arbeitet man auch im Garten?) Das „So“ diente der Tatsachenfeststellung, das „au“ und „man“waren Zeichen der Solidarität und Integration im Sinne von „Wir tun alle das gleiche, also sind wir Menschen alle gleich“. (Vielleicht sollten unsere Integrationsbeauftragten sich dies einmal zu Herzen nehmen!)
Am beliebtesten und häufigsten auf dem Lande aber war dieser Gruß:
„So, duad ma au Mischd führa!“ ( So, auch dabei, Mist aufs Feld zu fahren?) Ein sehr freundlicher Gruß, denn bei dieser Tätigkeit traf man sich damals zumeist auf den Dörfern.
Als besonderer Ausruf für besonders freudige Überraschung galt jedoch die Feststellung: „Etz leck mi am Arsch!“ Dies war beileibe keine besonders beleidigende Aufforderung, sondern eine aufwändige herzliche Begrüßung.
Die höchste Form der Ehrerbietung war also der laute Ausruf, wenn man etwa dem nach schwerer Krankheit wieder genesenen Pfarrer, der höchsten Autorität des Dorfes, auf der Straße begegnete: „ Also, etz leck me doch am Arsch, dr Herr Pfarrer isch wieder g´sond!“
Das hieß dann etwa: „Frohlocket alle mit mir zusammen, denn unserem Hirten, dem Herrn Pfarrer geht es wieder gut!“

All dies war auch dem Oberhofzeremonienmeister vom Hörensagen bekannt. Und so hatte der die pikante Aufgabe bekommen, den Schultheißen dahingehend zu instruieren, gegenüber der illustren Hofgesellschaft, und insbesondere dem Kronprinzenpaar gegenüber, ja keine seiner Derbheiten zu äußern, um keinen Preis der Welt.
So nahm er den Schultheißen einen ganzen Abend lang beiseite und übte mit ihm die vornehme Ausdrucksweise. Erschwerend kam hinzu, dass der Zeremonienmeister aus Preußen kam, nur hochdeutsch sprach, und somit das Schwäbische nicht tolerierte, geschweige denn akzeptierte, ja, nicht einmal verstand, also keine glückliche Voraussetzung im Schwabenland.
So versuchte er, ihm immer wieder einzutrichtern, sich öfters zu verbeugen, möglichst wenig zu sprechen, und, um Gottes Willen, keine vulgären Worte zu benützen. Die seien alle bloß „bäh, igitt und pfui-pfui!“ ( Warum eigentlich reden so viele Menschen, die aus der Hochsprache kommen, mit anderen Menschen, die Dialekt sprechen, oft in einer Art „Babydeutsch“ ? Halten sie diese für geistig noch minderbemittelt, etwa aufgrund ihrer sprachlichen Eigenheiten?)
Den zaghaften Einwand des Schultheißen, dass selbst er wohl wisse, dass man die zukünftige Königin nicht mit „So, duad ma au Mischd führa!“ begrüßt, wischte der Herr Oberzeremonienmeister mit einer verächtlichen Handbewegung beiseite.

Der erste Punkt des Besuchsprogramms ging denn auch ohne die geringste Störung vorüber. Der Schultheiß zeigte dem Hohen Paar seine Stadt, und zum Abschluß trug man sich auf dem Rathaus ins Goldene Buch ein.
Und dann ging´s zum Besuch der Brauerei. Man erfuhr Näheres über die Kunst des Bierbrauens, von der Darre der Gerste, das Mälzen, über die Maischerei , das Läutern, das Sieden , den Gärprozess, das Zusetzen von Hopfen bis hin zur Genussfertigkeit des Getränks. Interessiert fragte die Kronprinzessin: „Und wie kühlen Sie das Bier über einen längeren Zeitraum und halten es frisch?“
Da wurde ihr berichtet, dass am Ufer des Sees ein großes Gelände als Flachwasserzone angelegt worden war, etwa zwei Meter tief. Im Winter gefror dieser „Eisweiher“ dann bis auf den Grund. Dann rückten die Eisbrecher an. Mit ihren Pickeln und Sägen zerschlugen und zerkleinerten sie das Eis zu Platten, die dann auf große Fuhrwerke geladen und von Pferdefuhrwerken in die Stadt gezogen wurden. Dort wurden sie dann in die großen Kellerräume der Brauerei gebracht, wo sie nur ganz langsam schmolzen und so konnte man das Bier in den Fässern in den Kellern auf dem Eis kühl und frisch lagern. Es dauerte oft ein ganzes Jahr, bis das Eis vollständig geschmolzen war.
Kleinere Eisplatten wurden auch an Privathaushalte geliefert, wo sie entweder im Keller gelagert wurden, oder in extra Kühlhäuschen, die im Garten unter schattengebenden Bäumen standen. In diesen „Eishäuschen“ wurden dann Getränke und Lebensmittel längere Zeit gekühlt.
Das Kronprinzenpaar war sichtlich beeindruckt von der Möglichkeit, natürliche Gegebenheiten mit Hilfe der Technik den Menschen nutzbar zu machen. Man war allseits sehr zufrieden, wie der Tag bisher abgelaufen war.

Und so sah man nach dem Mittagessen erwartungsfroh dem letzten Programmpunkt, der Besichtigung eines Bauernhofes auf dem Dorfe, dem Elternhaus des Schultheißen, entgegen.
Dabei allerdings war ein sehr heikler Punkt zu beachten: Es waren damals und noch weit über die Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts hinaus die sanitären Verhältnisse auch im angeblich so fortschrittlichen Deutschland halt doch noch nicht so weit fortgeschritten, dass bereits jeder Haushalt über ein eigenes WC verfügt hätte. Ein gekachelter Raum mit Sitz und großer Wasserkanne zum Nachspülen war schon sehr „Ausstattung de luxe“ und hochmodern. Aber zumeist, vor allem noch auf dem flachen Lande, musste ein einfaches Plumpsklo den Bedürfnissen genügen. Dies war bei Bauernhäusern oft an den Kuhstall angebaut, mit direktem Zugang, bzw. es wurde im Garten extra ein kleines Klohäuschen errichtet, aus Brettern. Der Volksmund bezeichnete diese Häuschen, entsprechend ihrem Zweck, denn auch mit dem passenden drastischen Ausdruck. (Selbst Goethe verwendet ihn einmal). Versehen waren diese „Bauten“ mit einer abschließbaren Tür, in die, wohl der besseren Lüftung wegen, oben ein Loch in Form eines Herzens ausgesägt wurde. Es war beileibe kein angenehmer Aufenthaltsort. In heißen Sommern herrschte ein bestialischer Gestank, die Fliegen summten und brummten, und in kalten Wintern fror man dort erbärmlich. Es musste schon eine gehörige Portion Boshaftigkeit dahinterstecken, den Zugang zu einem derart ungemütlichen Ort auch noch mit einem Herzchen neckisch zu verzieren!
Und genau so eine „Villa Plumps“ stand im Freien hinter dem Schubartschen Anwesen, am Ende des Gartens. Dies sollte aber auf ausdrückliche Veranlassung des Oberzeremonienmeisters der Kronprinzessin nicht gezeigt werden, unter keinen Umständen. Der Schultheiß wurde darüber unterrichtet und versprach, sich streng an diese Order zu halten. So konnte man also ruhig auch dem letzten Punkt des Besuchsprogramms entgegen sehen.

Doch soll man den Tag halt nie vor dem Abend loben. Das Unheil kam doch noch - von völlig unerwarteter Seite. Und zwar von den höchsten Herrschaften persönlich.
Die Kronprinzessin liebte das Land. Für die Landwirtschaft allerdings interessierte sie sich nicht sonderlich. Viel mehr war sie immer noch fasziniert vom Besuch der Brauerei am Vormittag. Besonders die Technik des Eisbrechens und der Konservierung über eine derart lange Zeit, selbst bei Privatleuten, ging ihr nicht aus dem Kopf. Die liebliche Landschaft am Bodensee hatte es ihr besonders angetan. Als sie zufällig aus einem der kleinen Fenster im ersten Stock nach draußen sah, und den Garten erblickte, mit dem blauen See dahinter, und den hohen Schneebergen am jenseitigen Ufer, äußerte sie lebhaft den Wunsch, auch noch den Garten zu besichtigen. Dies führte zu großer Ratlosigkeit bei ihrer höfischen Entourage. Denn eben dieser heikle Ort sollte ihr ja unter keinen Umständen zu Gesicht kommen. Aber wer wird denn der zukünftigen Königin schon einen solchen Wunsch abschlagen?
Der Oberzeremonienmeister zischte dem hilflos dreinblickenden Schultheißen nochmals zu, alles zu tun, damit auch dieser Kelch an ihnen vorüberginge. Der nickte, leicht verstört, und versprach, sein bestes zu geben. Der ganze Hofstaat hoffte inbrünstig, auch diese letzte Klippe noch heil zu umschiffen. Also begab man sich hinaus in den Garten. Einige Hofdamen kicherten nervös. Die Kronprinzessin kam aus dem Haus, erblickte sofort das ominöse kleine Gebäude, zeigte, völlig arglos, mit dem Finger auf die Tür mit dem geschnitzten Herzchen: „Und das ist wohl Euer Eishäuschen? - Ach, ist das aber entzückend!“
O fürchterliches Entsetzen!

Schlagartig ging die Welt unter.
„GLMPH!“ Der versammelte Hofstaat erstarrte. Die Vögel unter dem Himmel verstummten. Die Sonne stand still über Friedrichshafen, Mond und Sterne fielen vom Himmel, und alle Lebewesen weit und breit hielten die Luft an. Die Anwesenden schauten voller Entsetzen flehentlich auf den Schultheißen. Ein Stoßgebet stieg hoch zum Himmel: „Lieber Gott, mach, dass er das schreckliche, furchtbare Wort nicht sagt!“ Von seiner Antwort hing der Fortbestand der gesamten Schöpfung ab.
Der Schultheiß war sich dessen voll bewusst und wagte kaum zu atmen, wurde abwechselnd rot, und dann wieder blass. Dann holte er tief Luft und stotterte, wobei er es vermied, der Kronprinzessin in die Augen zu schauen, die ihn freundlich anlächelte.
„Etzat, also etzat hont Se aber ganz noh nag´rota, Majeschdäd.“ (= Jetzt, also, jetzt haben Sie sich ganz nahe an die Wirklichkeit herangeraten, Majestät.), entrang es sich unter Stöhnen seinem Munde.
Die Umstehenden erwachten schlagartig aus ihrer Erstarrung und entwickelten einen derartig heftigen und überschäumenden Aktionismus, dass man hätte meinen können, sie wollten alle nur so schnell wie möglich diesem schrecklichen Ort der schlimmsten Prüfung entrinnen. Und genau das wollten sie auch. Sie glaubten, in den Schlund der Hölle geblickt zu haben. Kunststück, wenn man nur die theatralische Scheinwelt des Lebens bei Hofe kennt, in der niemals Unvorhergesehenes geschehen kann, weil alles vorher bis zur Perfektion eingeübt wurde!
Also verabschiedete man sich von der gastgebenden Familie, beschenkte die Kinder mit Süßigkeiten, das Gesinde mit je einem Goldstück, unterhielt sich mit dem Schultheißen, lobte ihn über den grünen Klee ob seiner vornehmen Zurückhaltung im richtigen Augenblick, was ihm sicherlich nicht leicht gefallen war, und für seine Geistesgegenwart; und versprach, den Gedanken, ihn für die Verleihung des höchsten Ordens für besondere Verdienste um das württembergische Vaterland vorzuschlagen, wohlwollend in Erwägung zu ziehen.

Dann begab man sich zu den wartenden Kutschen und heimwärts ging die Fahrt, zum Schloss.
Als der Kronprinz neben seiner Gemahlin Platz nahm, musste er zuerst die Tränen trocknen, die er vor Lachen vergossen hatte. Die Kronprinzessin fragte ihn: „Warum kichert Ihr denn alle so? Ist mir da irgendetwas entgangen?“ Da meinte er nur obenhin: „Ach es handelt sich eigentlich nur um Deine angeregte Unterhaltung mit dem Schultheißen, als Ihr Euch über die kleine Hütte hinter dem Haus ausgelassen habt. Da hast Du sozusagen einen Ritt über den Bodensee gemacht - und heil überstanden“ „Ich? - Im Ernst? - Ja, das war schon merkwürdig“, meinte da die Kronprinzessin, „der hat immer so herumgedruckst, als wäre es ihm peinlich, darüber zu sprechen. Komisch! Bei uns in St. Petersburg hatten wir diese Anlage nicht außerhalb, sondern sogar im Palast selbst, damit man nicht so weite Wege gehen musste, wenn es dringend wurde. Und dann haben wir in den heißen Sommern dort immer noch mit Maschinen Wind erzeugt, der über das Eis strich und die so entstandene Kühle über den ganzen Palast verteilte. EINFACH HERRLICH!“ Sie geriet ins Schwärmen. „Eine wunderbare Erfindung, allerdings mit einem gewaltigen Nachteil. Die Maschinen waren viel zu laut, wenn sie liefen. Bei jedem Wind, der da auskam, konnte man kein Gespräch mehr führen, so laut dröhnte und knatterte das. Es war dann richtig ungemütlich!“
Der Kronprinz verschluckte sich, rang nach Luft und wand sich in Zuckungen. Der Kutscher fiel beinahe vom Kutschbock. Selbst die Pferde wieherten.
Die Kronprinzessin aber dachte bei sich, voller Verwunderung: „ Das ist schon ein seltsames, zartbesaitetes Völkchen, diese Schwaben, selbst gestandene Männer fallen um wegen so einem bisschen Wind, streichen die Segel und brechen zusammen. Was für Memmen! Da kann man ja nur den Kopf schütteln. Selbst ich, die verwöhnte, zarte Zarentochter, bin da doch viel robuster!“
Und während sie so über die verschiedenen Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen der Völker sinnierte, begeben wir uns sacht wieder in die für uns gewohnten Verhältnisse unserer eigenen Zeit zurück.

Es hat sich vieles geändert seither. Aber all die sprachlichen Bemühungen wohlmeinender Besserwisser gegen die Gepflogenheiten sind heute genau so lächerlich wie das alberne Geschwätz der damaligen Hofschranzen. Deutsch ist eben nicht die Sprache der Herren, es bleibt die Sprache der einfachen Leute, so, wie es bereits der Name besagt.
So müssen wir Deutschen uns eben auch noch zu der Erkenntnis durchringen, und in Demut anerkennen, dass selbst unsere Sprache halt nicht so nach feiner Lebensart klingt, dass sie zu höfischem Glanze taugt. Dafür aber kann sie die Dinge ziemlich exakt festlegen und bezeichnen, bis in die allerfeinsten Nuancen.
Wenn wir uns den geschraubt dröhnenden und gequälten Satz anhören müssen: „Immer dann, wenn das Herz mutlos ist und nicht in voller Begeisterung hinter einer Sache steht, können wir die ganz großen Taten auch nicht vollbringen, und müssen verlegen im Zaudern steckenbleiben.“, ja so klingt das äußerst uninteressant, fürchterlich fade und nur wert, möglichst schnell wieder vergessen zu werden, kurz: Unsere Zehennägel biegen sich schon beim Anhören nach oben. Und der Kommentar dazu beschränkt sich denn auch auf ein gelangweiltes „ a wa!“, gefolgt von einem breiten und langen Gähnen.
Viel besser und anschaulicher bringt da der Volksmund, frei nach Luther, dem Schöpfer unserer heutigen deutschen Schriftsprache, denselben Sachverhalt mit wenigen, klaren Worten, auf den Punkt. Zwar völlig ungeeignet für das rosenduftene Boudoir einer zarten, vornehmen Hofdame, dafür aber schnörkellos klar - und eindeutig in der Aussage:

"AUS EINEM VERZAGTEN ARSCH KOMMT NIE EIN FRÖHLICHER FURZ !°

So etwas bringt keine andere Sprache fertig, soviel ich weiß.
Noch trefflicher kann man es nicht sagen!
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