SAMSTAGABENDGESCHICHTE

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heuberger
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SAMSTAGABENDGESCHICHTE

Beitrag von heuberger »

Liebe Freunde,
Hier noch ein „Bettmümpfeli“ zu später Stunde.
Ich rate aber dringend all denen unter Euch, die einen schwachen Magen oder ein eher zart besaitetes Gemüt ihr Eigen nennen, diese Geschichte zu überschlagen, und sich sozusagen „ungesättigt“ dem Schlafe zu überlassen. Denn hier geht es ein wenig arg rustikal zu, und mit einem buchstäblich „schlechten Geschmack“.

MAN BEISST SICH HALT SO DURCH
Später Samstagabend in einer kleinen Wirtschaft in einem Dorf an der Donau im Schwabenland, in den Sechziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts.
Fast alle Gäste sind bereits nach Hause gegangen. Bis auf die üblichen Spätheimkehrer. Die haben es sich zusammen mit dem Wirt noch am Stammtisch gemütlich gemacht, ein jeder mit einem letzten Glas Bier oder Wein vor sich, das die Wirtin ihnen mit grimmigem Gesicht nach mehrmaligem gütlichem Zureden doch noch einschenkte: „ Ond wenn Du ao no so a wiaschde Zenna namachschd, do drvo wärschd Du ao nemme scheener!“ (= Und wenn du auch noch so ein böses Gesicht machst, davon wirst du auch nicht mehr schöner!).

Zwar war sie rechtschaffen müde und sehnte sich danach, ins Bett zu sinken, aber schließlich war sie ja Wirtin, und ihre Berufsehre verlangte von ihr, die eigenen Wünsche zurückzustellen, und sich um ihre Gäste zu kümmern. Außerdem zahlten diese ja auch für ihre Getränke. Und so siegten berufliches Knowhow und kapitalistische Uneigennützigkeit über primitiv-egoistische Bedürfnisse der Natur und niedrige Instinkte. Immerhin hatte sie ja gesagt: „Auf Eier Wohl!“ (= Auf Euer Wohl!).

Während also die Wirtin mit vorwurfsvoll leidendem Sperrstundensehnsuchtsgesichtsausdruck auf einem Stuhl in der Ecke saß und vor sich hin döste, war auch der kleinen Runde am Stammtisch der Gesprächsstoff allmählich ausgegangen. Die Gläser waren fast leer, und schon wollte sich Aufbruchsstimmung breitmachen. Da merkte einer der Gäste, nennen wir ihn hier einfach den „Riadkäbelles-Sepp“, das heißt etwa soviel wie „Josef bei der Kapelle im Ried“, denn dort lag sein Hof; also besagter Riadkäbelles-Sepp merkte, dass seine Nieren hervorragend arbeiteten, und somit die genossenen Getränke ihrer natürlichen Bestimmung zugeführt hatten.

Da er wusste, dass ihm noch ein langer Heimweg bevorstand, erhob er sich und sagte zu seinen Zechkumpanen: „Mir bressiert´s, i muss no amol schnell ge biesela, also warded no auf mi, ond nocha ganget mr z´sema hoim.“ (= Mir pressiert´s, ich muss mich schnell noch erleichtern, also wartet noch auf mich, und dann gehen wir gemeinsam nach Hause.) und ging hinaus. Der Wirt rief ihm noch nach: „ Abr it, dass Du dussa uff´m Häusle eischlofschd, ond mir warded dia ganz Nachd auf Di.“ (= Schlaf aber nicht auf dem Klo ein, und wir müssen hier die ganze Nacht auf dich warten.)
„Ah wa, noe“ (= I wo, nein), damit war er aus dem Raum, und die Tür fiel zu. Davon wiederum erwachte die Wirtin auf ihrem Stuhl und machte sich sogleich ans Abkassieren.

Alles wartete bloß noch auf den Riadkäbelles-Sepp, aber der kam und kam nicht. „ I ka´s it glauba, aber der Schofseggl muss wirgle uff m Scheißhaus eig´schlofa sei.“ (= Ich mag´s nicht glauben, aber der Trottel muss wirklich auf dem Klo eingeschlafen sein.), meinte der Wirt und wollte schon nach dem Vermissten sehen.

Doch da ging die Tür auf und der Riadkäbelles-Sepp kam wieder herein - mit rotangelaufenem Gesicht und gesenktem Blick.
„Ja, sag no, Kerle, wa ischd ao do dussa bassierd, dass Du eis so lang do hinna hoschd warda lao?“ (= Ja sag bloß, was ist denn dort draußen geschehen, dass du uns so lange hier drinnen warten ließest?) fragte der Wirt verwundert und ein wenig besorgt, denn er hielt auf den Ruf seines Lokals.

Da stürzte es aus dem Angesprochenen heraus und er nuschelte nahezu unverständlich und leise: „Mir iffd äbbaf Frchdigf baffiert:
Wo i mit´m Foacha fetig g´wäa bi ond da Hofalada han dfuag´macht, do fend mir meine Pfäh in d Glofiffel neig´heit, ond vo do na in d Abortgruab, ´f ganf Gebiff, ond det leit´f etfat „
( „ Mir ift etwaf Fürchterlichef tfugeftofen: Alf ich fertig gewefen bin mit urinieren, und den Hofenladen tfugemacht habe, da find mir meine Tfähne in die Klofüffel hineingefallen und von dort hinab in die Abortgrube, daf gantfe Gebiff, und dort liegt´f jetfft.“ )

Da war guter Rat teuer, und einer der Gäste murmelte : „ Au weia, des geit abr Ärgr!“ (= O weh, das gibt Ärger!)– Doch der Wirt sagte ermunternd: „Do hosch Du abr richdig Glick g´het, vorgeschdern erschd war dr Glolärer do ond hot dia ganz Abortgruab g´lärt. Etzat goschd na in da Käar, do ischd lenks a glois Dierle, des machschd uff ond noch bischd scho in dr Gruab dinna. Des messt doch mit m Deifel zuaganga, wenn Du Deine Zeh´ det it finda dädschd. Uff m Dresa schdod a Daschalamp, dia nimmschd mit.“ ( Da hast du aber richtig Glück gehabt, erst vorgestern war der Abortgrubenleerer da und hat die ganze Grube geleert. Jetzt gehst du in den Keller, dort ist links ein kleines Türchen, das machst du auf, und schon bist du in der Grube drinnen. Das müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn du Deine Zähne dort nicht fändest. Auf dem Tresen ist eine Taschenlampe, die nimmst du mit.)

Unter allgemeinem Aufatmen machte sich der Verzweifelte voller Hoffnung auf den Weg in den Keller, um sein Gesicht wieder zu vervollständigen.
Den Gästen und dem Wirt wurde die Zeit lang, und so genehmigten sie sich alle nochmals ein Glas, das sie auf das Wohl des Riadkäbelles-Sepp, und auf das glückliche Wiederauffinden seiner Zähne leerten.

Endlich kehrte der wieder in die Gaststube zurück. Aller Blicke richteten sich auf ihn: „ Etzat, hosch Dei Gebiss g´funda?“
Niedergeschlagen kam die Antwort: „Noe, achd liegat dunda, abr koi´f bafft!“
Verhochdeutscht Euch das selber --- ond a guads Nächdle älle mitanand´ .
:D
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Stiekel
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Re: SAMSTAGABENDGESCHICHTE

Beitrag von Stiekel »

Wenn ich das richtig verhochdeutscht habe, Manfred,
müsste es wohl heißen: Es liegen acht da unten, aber Keines passt.
Allerdings tue ich mich mit der Mundart sehr schwer.

Lieben Gruß
Sabine
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Nur wer sich selber liebt ist fähig,
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heuberger
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Re: SAMSTAGABENDGESCHICHTE

Beitrag von heuberger »

Liebe Sabine,
Du hast das richtig gelesen und verhochdeutscht : "Achte liegen unten, aber keines passt"!
Da kann ich nur sagen : BINGO !
Mundarten sind auch für "Nichteingeborene" relativ leicht erlernbar, sogar auch unfreiwillig.
Und Vieles kann man im Dialekt genauer aussagen, mitsamt dem dazu gehörenden Umfeld, ja der gesamten Umwelt.

In diesem Sinne:
´n scheena Dag winsch i Dir no. (= Ich wünsche Dir noch einen schönen Tag. )

Grüßle
Manfred
:D
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Stiekel
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Re: SAMSTAGABENDGESCHICHTE

Beitrag von Stiekel »

En mojen Daag wunsch ik di ok.
Wie ist es damit. Verstanden?
Bit denn
Sabine
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heuberger
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Re: SAMSTAGABENDGESCHICHTE

Beitrag von heuberger »

Einen "mojen" (schönen? solchen? guten?) Tag wünsch ich dir auch.
Hoffentlich lieg ich nicht völlig daneben.
Bis dann
Manfred
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Stiekel
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Re: SAMSTAGABENDGESCHICHTE

Beitrag von Stiekel »

Bingo
Moi ist schön auf ostfriesisch
LG Sabine
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heuberger
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Re: SAMSTAGABENDGESCHICHTE

Beitrag von heuberger »

WOW, ich kann Ostfriesisch! :D
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