"Opfer" sein - und Opfer erbringen!

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gerhard
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"Opfer" sein - und Opfer erbringen!

Beitrag von gerhard »

Heute hält die engagierte und liebevolle Pfarrerin Sigrid wieder eine ganz besondere Predigt:

"Liebe Schwestern und Brüder!

Wir alle wissen, dass UNSER HERR UND BRUDER Jesus das grösste denkbare Opfer - für UNS - gebracht hat!

Aber was bedeutet das eigentlich, ein "Opfer" zu sein - und ein Opfer zu bringen?
Es bedeutet natürlich unter anderem, "etwas" zu opfern - so wie der Stammvater Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte,
als Gott dies von ihm verlangte!
Es bedeutet weiter eine Opfergabe: wie "damals" die Opfergaben von Kain und von Abel.

Keine Frage, dass Kain zum Mörder seines Bruders wurde! Und dass das schrecklich war und ist! Wenn die "Kains" ihre Brüder
ermorden: "egal", ob die "Abels" Indianer, Sinti und Roma, Juden, Angehörige anderer Minderheiten oder was auch immer waren und sind!

Und durch diesen Mord bekam Kain das "Kainsmal" - zum einem, damit nun alle sahen, dass er gemordet hatte.
Gemordet im Widerspruch zu dem, was Gott ihn gefragt und er geantwortet hatte:

"Wo ist Dein Bruder?" -"Bin ich der Hüter meines Bruders?"
Ja, Kain, wir ALLE sollen die liebevollen und aufmerksamen "Hüter" unserer Geschwister, unserer Mitmenschen sein!

Aber, das ist viel weniger bekannt, das "Kainsmal" bekam Kain "auch" deshalb, weil Gott ausdrücklich wollte: Diesem Menschen,
der dieses Kainsmal auf seiner Stirn trägt, dem dürft Ihr kein Lied zufügen - da ich ihn NICHT bestraft habe, dürft ihr es auch nicht tun!

Allerdings: Kain war "auch" verbittert, weil die Opfergabe Abels angenommen wurde - und seine nicht!
Gewiss kommt es darauf an, WIE ein Opfer gebracht wird, mit welcher Einstellung das geschieht!

Aber eine Opfergabe "einfach" ablehnen? War das wirklich "richtig", lieber Gott?

Und wer ist nun ein "Opfer"?
Wir alle wissen, wie "leicht" jemand als "Opfer" bezeichnet und "zum Opfer gemacht" wird!
Wenn etwa Menschen grausam gemobbt und schikaniert werden: "Du Opfer!"
Und wenn dann viele andere teils weg- teils zuschauen! Und wenige oder keine dem "Opfer" helfen und beistehen!

Ich bin mit "unserer" Amnesty-Gruppe in sehr, sehr gutem Kontakt, und sie war ja auch schon öfters bei uns zu Gast:
bei Menschenrechtsgottesdiensten, bei gemeinsamen Aktionen, mit einem Infostand bei unserm Pfarrfest.

Als ich unsere Amnesty-Freunde das erste Mal etwas Besonderes fragte, da waren sie noch sehr verdutzt und erstaunt!
Aber nun verstehen sie meine Frage:
"Ja, diese Frau, dieser Mann ist ein Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Aber was ist sie/er sonst?
Diese Frau hier wurde wegen ihres Eintretens für Menschenrechte umgebracht. Aber was könnt ihr mir über ihre Familie,
ihre Lieblingsbücher, ihr Lieblingsessen, ihre Freunde, ihre hobbies sagen?"

Jedes "Opfer" ist ein MENSCH, ein MITMENSCH: Wenn Unterdrücker, Folterer, Menschenrechtsverletzer einen Menschen
zum "Opfer" machen, "müssen" auch wir das tun?
Ein "Opfer" einer Menschenrechtsverletzung und von Gewalt wird eines grossen Teils seiner Menschlichkeit, seines Menschseins,
ihrer/seiner Persönlichkeit beraubt - und zu einem "Opfer" "reduziert"!

WIR sollten das NICHT tun und den GANZEN Mitmenschen, dem Leid und Gewalt zugefügt wird, wahrnehmen!

Und was, um zu der nächsten wichtigen Frage zu kommen, bedeutet, ein Opfer zu bringen?
Fasten, weil`s so vorgeschrieben ist?
Eine Opfergabe deshalb zu erbringen, weil`s so verlangt wird und weil`s uns so geboten wird?
Und ja in keiner anderen Form und Weise?

Die "Händler", deren Tische Jesus umstürzte, die boten ja im Tempel Opfergaben an.
War es "richtig", dass die Menschen, die in den Tempel gingen, um zu opfern, dann "dadurch" zu keinen Opfergaben kamen?

Womit Jesus natürlich recht hatte, das ist, dass es NICHT entscheidend ist, wie "groß" ein Opfer ist!
Wenn ein Mensch was opfert, der wenig hat, aber es im richtigen Geist tut, dann ist DIESES Opfer viel, viel mehr wert
als die teuerste und aufwendigste "Opfergabe" von jemandem, der viel mehr hat und besitzt, als er braucht - und für den daher
eine "Opfergabe" kein PERSÖNLICHES OPFER ist!!

Für die Frau, die nun in der zweitgrößten Stadt Österreichs, Graz, zur Bürgermeisterin wird, mag das, was sie tut, vielleicht
kein sehr großes Opfer sein: aber immerhin reduziert diese Frau ganz bewusst ihr Politikergehalt auf etwa 2000 Euro - und gibt
alles darüber Menschen, die etwa eine neue Haustür, eine neue Waschmaschine, eine aufwendige medizinische Behandlung.... benötigen!

Im "Geist" ist DAS - "auch" wenn die Dame Kommunistin ist - sehr nahe am christlichen Verständnis von Opfer dran!
Und Apropos "Kommunisten": Zu viele von uns "Christen" haben "vergessen", dass in der Urkirche ALLES geteilt wurde: dass ALLE,
die einer Gemeinde angehörten, ALLES, was sie besaßen, hergaben und zusammenlegten - um das nötige Auskommen von allen
zu sichern und, vor allem, davon denen zu geben, die es wirklich brauchten:

"Was Ihr dem Geringsten tut, das tut ihr mir!" Noch heute teilen Angehörige von "Naturvölkern" alles, was sie besitzen,
miteinander: jeden Speer, jeden Topf, jedes Netz - weil ihnen klar ist, dass dieses TEILEN dem Überleben von ALLEN dient!

Also "können" Menschen, wenn sie das wirklich WOLLEN, etwas von ihrem Eigentum opfern - für ihre Mitmenschen!
Zweitens können Menschen freiwillig was von ihrer Freiheit opfern! Aber WIE und FÜR WEN?

Für Unterdrücker, "Führer", Diktatoren, dafür, sich privat, beruflich, politisch zu unterwerfen?
Etwas ganz anderes ist, wenn Menschen deshalb von ihrer Freiheit opfern, um dies für die Freiheit von Mitmenschen zu tun:

Ich, der Regimekritiker Nawalny, ich, Marie Kolusnikowa aus Weissrussland, ich und wir opfere und opfern was von meiner/unserer
Freiheit, um dadurch Unterdrückten und Verfolgten zur Freiheit zu verhelfen!
So, wie Gandhi, Martin Luther King immer wieder ihre Freiheit opferten - im Sinne dessen, was als "Freiheit des Christenmenschen"
gemeint ist: In INNERER FREIHEIT einen Teil MEINER Freiheit für die meines Mitmenschen zu "opfern"!

Und schliesslich das wohl größte Opfer, das ein Mensch erbringen kann!
Aber WARUM??

WARUM "opferten" die japanischen Kamikaze-Flieger im 2.Weltkrieg ihr LEBEN?? Für die KRIEGSZIELE! Sie taten es NICHT, um Menschen
zu helfen, sondern im "Einklang" mit Kriegszielen wie Länder erobern usw. Wie Shanghai bombardieren, unzählige Zivilisten ermorden,
sehr, sehr viele Menschen durch Zwangsarbeit zu unterdrücken, sehr,sehr viele Frauen in den eroberten Gebieten zu vergewaltigen!

WARUM "opfern" Terroristen als "Selbstmordattentäter" ihr Leben? Für die "Ziele" dieser Terroristen!

Sophie Scholl wusste, FÜR WAS sie letztlich ihr junges Leben "opferte". Martin Luther King, WOFÜR er SEIN Leben zu opfern bereit war!
Und Jesus: Der VOR der Kreuzigung Menschen half und aufzeigte, wie Menschen in der Nächstenliebe und Barmherzigkeit zu helfen sei -
und der sich am Kreuz opferte, um UNS ALLE zu erlösen!!!

Auch das größte Opfer ist wertlos, wenn es dem FALSCHEN Zweck dient!
Aber viele, viele haben uns gezeigt und zeigen uns, WOFÜR Opfer wert sind!

Vielen Dank, liebe Schwestern und Brüder! Amen!"
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