Wie zwei Menschen, denen sehr wehgetan wurde, einem Geschöpf begegnen, das die Liebe von BEIDEN braucht!

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gerhard
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Wie zwei Menschen, denen sehr wehgetan wurde, einem Geschöpf begegnen, das die Liebe von BEIDEN braucht!

Beitrag von gerhard »

In einer Seitenstrasse in einer großen Stadt: Ein kleiner Hund, der seinem Aussehen nach sehr unterschiedliche Hunderassen
unter seinen "Vorfahren" hat, ist mit einer schäbig aussehenden, aber festen Schnur an einen Baum gebunden - und fiepst - und jault! -
jämmerlich!

Es ist dem armen Geschöpf anzusehen, dass es SEHR große Angst hat!
Wer wird sich um den kleinen Hund kümmern? Wer war so herzlos, ihn so seinem Schicksal zu überlassen?
Wollten ihn seine "Besitzer" nicht mehr haben?

Eine sehr junge Frau, sicher nicht mehr als 22, ist zum nächstgelegenen Supermarkt unterwegs. Meistens blickt sie zu Boden -
aber immer wieder hebt sie den Kopf - und blickt nervös hin und her. An sich ist sie sehr hübsch, aber sie wirkt sehr ängstlich.
Das herzförmige Gesicht ist sehr blass, die sanften braunen Augen, die durch runde Brillengläser blicken, wirken in ihrem Ausdruck wie "leer". Das
Gesicht ist von glatten, braunen Haaren umgeben, die Mundwinkel des kleinen Mundes - mit weichen, vollen, zarten Lippen -
traurig nach unten gezogen. Die junge Frau hat die Schultern hochgezogen und trägt einen dicken Schlabberpullover, eine lange
Hose und Halbschuhe.

Aus einer anderen Richtung kommt eine große Frau von wohl Mitte Vierzig: Sie hat schulterlanges, dunkelbrünettes, gewelltes
Haar, ein schönes, olivfarbenes Gesicht, große, schrägstehende, intensiv grüne Augen und einen breiten Mund mit geschwungenen,
vollen, dunkelrosa bemalten Lippen. Diese Frau trägt ein offenstehendes Sakko, eine hochgeschlossene weisse Bluse, Leggins
und Stilettos.

Sie geht an einem großen, stämmigen, gutmütig aussehenden Mann vorbei, der einen sehr großen Hund an der Leine hat.
Die Frau zuckt sichtlich zusammen, und mit auf einmal weit aufgerissenen Augen und laut "AIDER"(französisch: HILFE!)rufend,
rennt sie über die Straße. So panisch, dass sie NICHT darauf achtet, dass es ein Autofahrer schafft, gerade noch rechtzeitig
zu bremsen.

Auf der anderen Straßenseite keucht sie - und vergewissert sich, dass der Mann mit dem Hund weitergeht, bevor sie
weiterhastet. Darum nimmt sie auch nicht wahr, dass der Mann nun mitsamt seinem Hund einer anderen Frau begegnet -
der der Hund beide Hände leckt - bevor er fröhlich bellend an ihr hochspringt, um ihr die Lippen abzuschlecken.
Oh ja, dieser Hund ist sehr groß - aber liebevoll und freundlich!

Und auf einmal sieht die Frau den kleinen Hund. "Mon Dieu!" flüstert sie. Schon wieder ein Hund. Aber ein ganz kleiner
und sehr ängstlicher, der ganz eindeutig nach Hilfe bellt und jault!

Langsam und zögernd, seeeehr langsam einen Fuss vor den anderen setzend, nähert sich die schöne große Frau dem
Hund - und sagt dann sehr leise: "Vous avec besoun d`aide!" "Ich denke, du brauchst Hilfe!"

SEHR langsam geht die Frau in die Hocke. Und dann sieht sie die andere Frau, die sehr scheu eine Hand ausstreckt - und
den kleinen Hund zu streicheln beginnt - und so leise, dass es kaum zu hören ist, sagt: "Armer Kleiner."

Und auf einmal wird der kleine Hund sehr behutsam von zwei Händen, einer sehr schmalen und blassen (der der sehr
jungen Frau) und einer schlanken und sehr sensiblen (mit langen, geschmeidigen Fingern und rosarot bemalten Fingernägeln),
gestreichelt.

Das Hündchen bewegt das Köpfchen hin und her, macht "Wuff!"- und beginnt, die schmale und blasse Hand zu lecken.
Und dann die andere Hand. Worauf die große schöne Frau sehr warm lächelt und leise "Vous etes douce"("Du bist süß")sagt!

Dann begegnen sich die Blicke der beiden Frauen. Und als die große dunkelhaarige Frau nun der jungen Frau zulächelt,
zuckt diese sichtlich zusammen - und die braunen Augen weiten sich so erschrocken wie vorhin (als die Dunkelhaarige den großen Hund sah)
die großen grünen Augen.

Während die linken Hände der beiden Frauen weiter das Hündchen streicheln, fassen die rechten Hände gleichzeitig nach der
Schnur - um das sooo verängstigte Geschöpf loszubinden.

Die Dunkelhaarige bemerkt, dass die braunen Augen sich dorthin richten, wo eine Supermarktfiliale ist. Davor steht ein
mächtiger Baum und daneben eine kleine Bank. Und ein kleiner Brunnen.

"Asseyez-vous, s´ilvous plait!" Dann lacht die schöne Madame: "Oh, Pardon! Bitte, setz dich! Ich möchte für den Hund un petit, eine Kleinigkeit
kaufen. Brauchst du auch etwas?"

Die große Dunkelhaarige blickt auf die schüchterne Frau mit den glatten braunen Haaren - und in die braunen Augen. Bei den Worten
"dich" und "Du" zuckt die junge Frau zusammen - um dann sehr scheu zu lächeln.

Dann starrt sie ziemlich lang auf den Gehsteig, hebt dann den Kopf und zieht einen Zettel aus ihrer Umhängetasche.
"Pascale!" sagt die Dunkelhaarige mit warmem Lächeln. "Sonja!" erwidert die andere sehr leise.

Die große Pascale geht in den Supermarkt hinein - und kommt nach einer Weile mit einer ziemlich großen Einkaufstasche,
die sie auch im Supermarkt erworben hat("Jute statt Plastik!"), wieder heraus. Sie fischt eine Wurst, Hundekeks und eine
kleine Glasflasche mit frisch gepresstem Orangensaft heraus. Den und eine Tafel Schokolade gönnt sie sich dann - und überreicht
dann Sonja die Einkaufstasche.

"Wieviel,äh, bekommst du?" Sonja ist rot geworden, und ihre Stimme ist immer noch sehr leise.
"Oh, das spendiere ich! Dir die Einkäufe - und ihm..." Pascale entdeckt, dass auf dem Halsband des Hündchens ein
Name steht: "Das gehört nun dir, Strolchi." Der kleine Hund schnappt nach der Wurst, die ihm Pascale verlockend hinhält,
und nimmt danach einen der Hundekekse von der Hand, die sich ihm entgegenstreckt.

Sonja sagt nun sehr leise: "Du bist so nett! Ganz anders als..." Und Pascale streichelt das Köpfchen von Strolchi
und sagt zärtlich: "Mon Petite! Du kannst nichts dafür, dass ich depuis que vor GROSSEN Hunden Angst habe, Oui?"

Und als sie den fragenden Blick von Sonja sieht, übersetzt Pascale das, was sie gesagt hat: "Depuis que heisst "Seitdem".
Es gibt einen Grund, warum ich vor großen Hunden Angst habe!"

Und dann sagt Sonja nach wie vor leise: "Und einen Grund, warum ich Angst vor..."
"Vor was?" fragt Pascale und blickt in die sanften braunen Augen.
Sonja fährt sich unsicher und nervös mit ihrer Zunge über ihre zarten vollen Lippen:
"Vor, äh, Frauen - die nicht so liebevoll und gütig sind - wie Du!"

Oh! Hat Sonja jetzt - Tränen in ihren braunen Augen?

Pascale blickt immer noch - sehr ruhig und sehr sanft - in die braunen Augen von Sonja.
Und dann, während Tränen aus IHREN grünen Augen kommen, sagt sie stockend und leise:

"Ich war einmal - wie lange ist das schon her? - sehr spät am Abend in einer Bar!
Ein Mann, den ich für charmant hielt, flirtete mit mir. und nach einer Weile war ich schon, Oui, pompette, beschwipst.
Ich liess mich auf den Mund küssen, hatte seine Hände auf meinem Popo und meinem Busen und auch in meinem
Dekolletee. Dann zogen wir durch eine Straße, und ich habe sehr laut gesungen.

Und dann "landeten" wir in einer kleinen und sehr schmutzigen und unordentlichen Wohnung.
Und in seinem Bett. Oui, es gab - wir hatten - Sex. Und dann pfiff er.
Und aus einem anderen Zimmer kam ein großer Rottweiler-Hund. Und dann lag ich auf
dem Boden - und dann (Pascales Stimme wird zu einem Flüstern, und sie beginnt zu weinen)
war der Hund auf mir und in mir, Oui? Ich weinte und schrie "Non! Non!" und wollte weg und
hatte schreckliche Angst - und es hat auch sehr wehgetan!

Im Gerichtssaal bekam er 7 1/2 Jahre Gefängnis. Aber was nutzte MIR das? Ich sass da wie in Trance,
so, als würde da meine "Hülle" sitzen - und als wäre mein ICH "irgendwo"! Aber als ein Foto des
Hundes gezeigt wurde - da brüllte ich laut um Hilfe - und rannte panisch aus dem Gerichtssaal!

Und "bekam mit", dass Leute - über meine Angst und meine Panik - lachten!
Nun, mon cher Sonja, weisst Du, warum ich Angst vor großen Hunden habe - die nicht so lieb und
süss wie Strolchi sind.
Das, Sonja, ist MEINE Geschichte - möchtest du mir anvertrauen, was DEINE ist?"

Als Pascale eine Hand sehr behutsam auf eine Schulter von Sonja legt, starrt diese auf den Boden - hebt
dann aber den Kopf und lächelt - sehr schüchtern:

"Ich, äh, habe schon als kleines Mädchen gemerkt - dass mir - Mädchen gefallen. Schon im Kindergarten
war ich - in ein Mädchen verliebt. In der Schule war ich sehr schüchtern. Es gab viele nette und hübsche
Mädchen - aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich eine davon für mich, äh, interessieren
könnte."

"Und warum nicht, cher Sonja? Du bist hübsch, und ich finde dich sehr nett."

"Äh, Dankeschön!" Und dann lächelt Sonja scheu und fügt leise "Merci Beaucoup" hinzu:
"Als ich 17 war, nun bin ich, äh, 22, da traf ich eine Frau, von der ich das Gefühl hatte:
Die interessiert sich wirklich für mich, die liebt mich.
"Aber" sie war besitzergreifend, sie gab mir zu verstehen:

"Das verstehst du nicht! Das kapierst du nicht! Dazu bist du zu blöd!"
Sie kommandierte mich herum. Mal küsste sie mich, dann dachte ich wieder: Sie liebt mich.
Ich wollte denken: Sie liebt mich.

Es kam immer öfter vor, dass sie sehr, sehr spät nach Hause kam, sehr stark angetrunken.
Und dann (Sonja beginnt zu weinen, und ihre Stimme ist kaum mehr zu verstehen)tat sie mir -Gewalt an."

Pascales Augen, aus denen nun auch Tränen fliessen, werden groß - und entsetzt.
Und sie fragt sehr leise: "Sie hat dich vergewaltigt?"

"Immer wieder! Gerade weil sie merkte, dass ich das nicht will. Am nächsten Morgen tat sie
dann immer so, als wäre nichts gewesen - und als könne sie sich an nichts mehr erinnern.
Eines Tages, keine Ahnung, woher ich den Mut dazu nahm, sagte ich:"Ich will das nicht mehr! Geh!"

Sie ging, aber nicht wirklich: Nun begann sie - mich zu stalken. Sie ging vor dem Haus,
in dem meine Wohnung war, auf und ab und hin und her.
Ich bekam "Nachrichten" in meinem Postkasten - und auf meinem Handy.

Ich bin immer noch in Psychotherapie.
Sie ist zwar inzwischen woandershin gezogen, und ich habe auch nichts mehr von ihr gehört
oder bekommen. Aber der Schaden war angerichtet:
Ich erschrecke, wenn mein Handy klingelt,
ich bin entsetzt, wenn es an der Tür klingelt.

Bis heute dachte und fühlte ich: Ich glaube nicht, dass ich je wieder eine Beziehung
eingehen oder gar mit einer Frau,äh..."

Pascale blickt wieder in die Augen von Sonja: "Du meinst: Intim werden, Oui? Wenn du mir erlauben möchtest,
dir zu helfen, verspreche ich dir, cher Sonja, dass ich nichts tun möchte, was du nicht wirklich
willst. Aber es freut mich, dass du sagst: "Bis heute". Und das Kompliment, das Du mir gemacht hast - dass du
mich liebevoll und gütig findest - freut mich particulierement - BESONDERS!"

Jetzt "traut" sich Sonja - wenn auch unsicher - zu - lachen: "Also, bis heute hast DU nicht gedacht, dass Du dich
mit einem Hund anfreunden könntest! Aber Strolchi ist ja wirklich ein gaaaanz Lieber! Und ganz sicher willst du
wohl eine Weile nichts mehr mit Männern zu tun haben, habe ich recht? Denn es war ja nicht der Hund schuld,
sondern der Kerl!

Nun ja, und ich bin heute erstmals seit... wie heisst das noch mal in deiner Sprache, Pascale?"
"Depuis que! Seitdem! Möchtest du sagen, Sonja, dass du HEUTE (wieder)erstmals mit einer Frau zusammen bist, von
der denkst, dass du vielleicht...?"

Und so beginnt, sehr langsam, eine liebevolle Freundschaft zu dritt. Pascale hat eine schöne Altbauwohnung, in der
es sehr viele Bücher gibt. Sie hat schon in Frankreich eine Buchhändler(in)lehre gemacht und Bibliothekswissenschaften
studiert - und arbeitet nun in der Universitätsbücherei.

Sie teilt nun diese Wohnung mit Strolchi - und "eines Tages" zieht auch Sonja aus ihrer Wohnung aus - und bei
Pascale ein. Die Sonja dabei ermuntert, ihrem Traum - mit Kindern zu arbeiten - nachzukommen.

"Eines Tages" wird Sonja - Kindergärtnerin sein . Strolchi, mit zwei soooo liebevollen Fraulis seeeehr glücklich,
verteilt viele, viele liebevolle Schleckerbussis an beide Frauen - die sich jedes Mal freuen, wenn ihre Lippen herzhaft
abgeschleckt werden!

Und als Sonja, wiederum "eines Tages", in die großen grünen Augen von Pascale blickt und ihrer großen Freundin - was
kümmert sie der Altersunterschied? Dem "Alter" nach könnte Pascale vielleicht Sonjas Maman sein: "Aber du bist ma Copine!
Meine FREUNDIN!" - einen zärtlichen Kuss auf den Mund gibt - "Merci Beaucoup" -,ist Pascale sehr glücklich.

Darüber, dass die gemeinsame Hilfe für den im Stich gelassenen kleinen Strolchi, der Liebe und Zuwendung und Hilfe
gebraucht hat, sie und Sonja zusammengeführt hat!
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Stiekel
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Re: Wie zwei Menschen, denen sehr wehgetan wurde, einem Geschöpf begegnen, das die Liebe von BEIDEN braucht!

Beitrag von Stiekel »

Eine sehr einfühlsame Geschichte, lieber Gerhard.
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Nur wer sich selber liebt ist fähig,
auch andere zu lieben.
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