Wackelkopfomi

Kleine Anekdoten, Episoden, Wahre Begebenheiten
Antworten
Benutzeravatar
Stiekel
Eifriger Schreiber
Eifriger Schreiber
Beiträge: 1051
Registriert: Dienstag 11. Januar 2011, 19:43
Kontaktdaten:

Wackelkopfomi

Beitrag von Stiekel »

Bild


Kennst du sie noch, die Oma aus den 60er Jahren, mit dem Wackelkopf aus weichem Vinyl? Ihr kleines Gesicht war so herrlich zerknautscht und die Haare, zu einem Dutt hochgesteckt, aus sehr feinem grauen Garn. Mama brachte sie aus dem Urlaub in Österreich mit und sie bewachte seitdem die Blumen auf der Fensterbank. Ich konnte mich nicht sattsehen an der kleinen Person und habe mich sichtlich in sie verliebt.

Kann sein, sie hat mein Gesicht geprägt, denn je älter ich werde, umso mehr Ähnlichkeit bekomme ich mit der Wackelkopfomi. Schaut mein Spiegelbild mich morgens verschlafen an, dann sehe ich sie vor mir. Dieser schelmische Blick, die tiefen Grübchen in den Wangen im fast eckigen Kopf, nur der Dutt fehlt. Bei diesem Anblick geht mir das Herz auf. Eine Oma zum knuddeln.

Doch nach dem Zähneputzen verwandelt sich das Gesicht enorm. Ein riesiges Pferdegebiss, wie mir scheint zerrt den Kopf in die Höhe und eine mir fremde Person schaut mich mit breitem Grinsen an. Ich mag sie nicht, die neuen Zähne im alten Gesicht.. Das bin ich nicht, und doch muss ich dankbar sein, dass es die Prothese gibt, weil sie mir erlaubt, wieder vernünftig zu essen.

Meine Umwelt macht mir Komplimente, ob des Kauinstruments, weil ihr meine Erscheinung so besser gefällt. Doch ich freue mich insgeheim schon auf den Abend. Dann verschwindet das Teil im Reinigungsbad und die geliebte Omi kommt wieder zum Vorschein. Die Nacht gehört uns. Schöööön!!!

© Sabine Brauer
Bild

Nur wer sich selber liebt ist fähig,
auch andere zu lieben.
Antworten